JOACHIM HUTH

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Joachim Huth

01.11.14

 

Burgwarde, Supanien und Parochien

Dass es sich bei den Stichworten „Burgward“ und „Supanie“ um Begriffe handelt, die Bezirke charakterisieren, steht ebenso außer aller Debatte wie, dass mit Hilfe dieser Ordnungsgrößen ganze Landstriche zu Einheiten zusammengefasst werden konnten. Dennoch gilt noch immer, was Riehme schon 1905 ansetzte:

„(Burgwarde und Supanien) sind zwar oft Gegenstand der Behandlung gewesen, aber merkwürdigerweise ist dabei ihre Ausdehnung noch unerörtert geblieben“1. Man hat den Burgwarden Gestalt zu geben versucht, indem man vom Stichwort Burg ausging. Man sah in alten Burgen, Schanzen und Wällen Zentren von Burgbezirken, zögerte aber davor, aus ihnen landschaftszusammenfassende, sinnvolle, politische Systeme zu bilden, die in etwa dem entsprachen, was die Urkunden mit Burgward meinen. Außerdem führten diese Versuche darum nicht zum Ziel, weil einige der berücksichtigten Prämissen das verhinderten. So konnte man sich nicht dazu verstehen, Gaue, Gefilde und Gemarkungen schon um 900 als linear beraint anzusehen2. Auch meinte man, die Menschen jener Tage hätten die riesigen Urwälder, Heidestreifen, Sümpfe und Moore sich noch nicht erschlossen, durch sie noch keine Grenzen gezogen. Hinderlich dürften etwa auch derzeitige Vorstellungen über Siedlungsabläufe sein.

Nun kann man Burgen ausgraben, auch Siedlungen in ihrem Umfeld, nicht aber Begriffe der Verfassung und Verwaltung, wie es Burgward und Supanie ja sind. Auch das Wissen um Literatur und Quellen hilft nicht weiter, wenn die Brille beschlagen ist. Gleich das erste schriftliche Zeugnis über Burgwarde sagt es eigentlich ganz klar, was es um einen Burgward ist. In der zu Unrecht verketzerten Errichtungsurkunde für das Bistum Havelberg vom 9. Mai 946 wurde diesem auch eingestiftet … in provincia Desseri Wizoka civitatem cum omni burcwardo = die civitas Wittstock in der Provinz Desseri mit allem Burgward3. Noch deutlicher sagt es eine Urkunde für das Erzstift Magdeburg vom 29. Juli 961 … municipium etiam vel burgwardum urbis Zpuitneburg in pago Nudzici site = den Sonderbezirk oder Burgward Rothenburg an der Saale4. Man hat also zu unterscheiden die Burg, den Burg-Bezirk (!) mit den Dörfern rund um die Burg, und den der Burg außerdem noch zugeordneten Ward-Bereich (!). Der aber reichte bis an die Gaugrenze und bildete mit allen seinen Nachbarn das den Gau schützende Burgwardsystem.

Zu Recht urteilte von Sickel5, das Havelbergdiplom von 946, das als erstes von Burgwarden redet, habe ein Magdeburger Notar geschrieben. Gebrauchte man anfangs in den Diplomen urbs, civitas und castellum, so setzte sich von Magdeburg aus in den Urkunden für den deutschen Osten der Begriff Burgward durch. In der Übergangszeit ist damit zu rechnen, dass Dokumente mit den alten Wechselworten schon das meinen, was das Wort Burgward sagt. Gleiches gilt für Übereignungen jener Jahrhunderte, die nur Zentren, nicht aber deren Qualität nennen6. Das Schlimme am Problem ist, dass es Burgwardbeschreibungen erst aus dem 13. Jahrhundert gibt, die man bisher meist mit Skepsis betrachtet hat. Die Oberlausitzer Grenzurkunde von 12417 bringt sechs Berainungsprotokolle. Drei bezeichnen die umschriebenen Gebilde als Burgwarde: Dolgowitz, Doberschau und Seitschen. Interessanterweise beginnen die Berainungen von Doberschau und Seitschen nicht vom Kulturlande, sondern erst an seinem Rande: de burquardo Dobrus: ab antiquo campo trans Sprewam Daniborowebrod = der erste Grenzpunkt liegt am Rande des Gefildes und ist eine Spreefurt. Zum Schluss des sechsten Protokolls heißt es: inde in Jawor et per decursum Jawor ad agros antiquitus ex cultos = Die Grenze folgt der Jawor (heute Schwarze Elster) bis zu dem seit alters beurbarten Land. Die Wardbezirke umfassten zumindest anfangs keinen Quadratmeter Kulturland. Sie begannen dort, wo die Burg-Bezirke (!) aufhörten. Die Doberschauer Berainung wie auch die für Seitschen setzt drei Kilometer südlich des Burgwardvorortes ein, und die für Göda endet am Einfall des Silberwassers (Zrebernizam) ins Schwarzwasser. Von hier sind es noch acht Kilometer bis Göda. Zu beachten ist auch, dass die Ausgangs- und Endpunkte der Raine für die Komplexe Doberschau, Seitschen und Göda zwischen vier und fünf Kilometer voneinander entfernt, also beim Übergang vom Burg- in den Ward-Bezirk etwa gleichmäßig breit sind. Auf diese Beobachtungen gestützt lässt sich ein Schutzsystem aus Burgwarden rund um das alte Milska legen, das zu den Außengrenzen hin ausfächernd das ganze Wildland umfasste8. Das System hat sich durch drei Jahrhunderte bewährt. Während sich der slawische Landesausbau des 10. und 11. Jahrhunderts im Norden langsam vollzog, löste die plötzlich einsetzende Kolonisationsbewegung des 12. und 13. Jahrhunderts im Süden die alten Burgward­strukturen fast vollständig ab. Während hier Bauern rodeten, hatten in einigen Burgwardstreifen des Nordens Herrengeschlechter Fuß gefasst, die das Siedelwerk in die Hand nahmen9. Was hier aus der Grenzurkunde von 1241 für das alte Milska/die Oberlausitz als burgwardtypisch abgeleitet wurde, dürfte in etwa auch für andere Landstriche gelten.

Natürlich gab es im Milsker Altland eine Menge von Burgen. Zu jeder wird auch ein Burg-Bezirk (!) gehört haben. Sie lagen aber nicht so, dass ihnen auch noch ein Ward-Bereich hätte zugeordnet werden können. Solche Wälle und Schanzen „im“ Gau waren etwa Niethen, Kuckau und Kopschin, Belgern und Rackel, Spittwitz und Dahren, Coblenz und Dobranitz10. Über die Verfassung dieser Bezirke wissen wir nichts, es sei denn, dass es in Milska das Amt des Supans gab11. Hier hilft ein Blick nach Daleminze weiter, wo sich über ein halbes Jahrtausend alte sorbische Unterbezirke, die Supanien erhalten haben. Ältere Arbeiten sahen in ihnen slawenzeitliche Einrichtungen, neuere weisen auf deutschrechtliche Strukturen hin, so dass für vordeutsche Herkunft nur noch der slawische Terminus übrigbliebe12. Trotz allen Funktionswandels haben sich aber die Supanien als Bezirke erhalten.

Den sächsischen Verwaltungsreformen des 19. Jahrhunderts fiel auch das Erbamt Meißen zum Opfer13. In ihm war der Kern der alten Mark Meißen zusammengefasst. Gegenüber anderen Ämtern fiel die „Lommatzscher Pflege“ sowohl durch ihre Größe als auch durch die Eigenheit auf, seit Alters in Bezirke untergliedert gewesen zu sein. Nach den Bedelisten von 1334/36 reichte das Amt Meißen von der Elbe bis zur Freiberger Mulde. Die etwa 400 Dörfer waren 16 Bezirken zugeordnet. Einer umfasste die Dörfer der Witsessen, ein anderer die des Klosters Riesa, ein dritter die der Nonnen des Klosters Seußlitz. 13 Bezirke werden als Supanien vorgestellt. Kartiert man die Aussagen, so ergeben sich bizarre Gebilde. In ihnen spiegeln sich wohl die Erb­streitigkeiten der Meißner Burggrafen untereinander wider wie auch deren Auseinandersetzungen mit den Wettinern als Markgrafen von Meißen. Auch sind aus dem alten, sicherlich geschlossenen Supaniesystem im Laufe der Jahrhunderte viele Orte herausgelöst worden. So fehlen in der Liste der Supanie Kleinmockritz 1334 schon die ans Kloster Altzelle gediehenen Orte Auterwitz, Mochau, Ossig, Priesen und Lüttewitz. Später schieden noch Nelkanitz, Dreißig und Wettersdorf aus. Das Dorf Maltitz war denen von Maltitz verlehnt worden. Auf die gleiche Weise dürften Leschen und Gertitzsch aus dem Kleinmockritzer Verbande gelöst und der Supanie Hohenwussen zugeschlagen worden sein. In mühsamer Kleinarbeit und mit vielen Hypothesen dürfte sich noch eine ältere Gestalt des Supaniesystems erarbeiten lassen.

In seiner Beschreibung der slawischen Landschaften nördlich der Donau nennt der Emmeraner Mönch14 zwar Daleminze, nicht aber auch Nisan. So dürften die 14 Civitates für Daleminze auch die im Neugau Nisan mit meinen. Bisher ist es jedenfalls nicht gelungen, diesen 14 Bezirken in der Lommatzscher Pflege Gestalt zu geben. Die Slawen kamen als Bauern ins Land. Die Ersten besetzten die guten Böden der alten Offenlandschaft. Die lagen rund um Lommatzsch. An diese Ursupanie lagerten sich weitere Siedelgebiete an, was ihre langgestreckte Form erklärt. In ihrer Endgestalt umfassten die alten Supanien kaum weniger als 20, aber auch kaum mehr als 30 Dörfer. Anfangs waren sie wohl auch linear gegeneinander abgegrenzt. Eine Möglichkeit, den slawischen Landesausbau zu verfolgen, ergibt sich aus der Deutung alter Ortsnamen, wenn man die Possessiva als Hinweise auf Grenz-/Wehrbauernorte versteht. Außer einem Viereck um die Kernsupanie Lommatzsch gibt es einen jüngeren Ring, der im Süden die Burgenlinie Döbeln-Mochau-Leuben-Zehren überschritt. Auch dieses Neuland wurde ins Supaniegefüge einbezogen15.

Die Unterstellung Daleminzes unter die deutsche Botmäßigkeit bremste zwar den slawischen Landesausbau nicht, brachte aber Eingriffe in die gewachsenen Strukturen mit sich. Zwischen Meißen und Riesa wurden in einem etwa sieben Kilometer tiefen Streifen längs der Elbe Gröba, Boritz und Zehren zu Burgwardvororten erhoben und die rundum Ansässigen diesen Zentren zugeordnet. Für die Landesfeste Meißen scheint man gleich eine ganze Supanie aus der alten Landesordnung gelöst und der Burg unterstellt zu haben, den Witsessenbezirk. Seine Bewohner hatten die Burg zu versorgen, zu bewachen und notfalls auch zu verteidigen16. Da Leuben, Döbeln und Jahna/Hof als Burgwardvororte genannt werden, nimmt nicht weiter Wunder, wenn in den Bedelisten von 1334/36 die Namen der in ihrer Nähe liegenden Dörfer nicht erscheinen. So war Leuben ein Rittersitz, auf dem ein nicht unter dem Amte Meißen geführter Adliger saß, dem Ketzergasse17, Eulitz, Lossen und Schleinitz gehörten. In den folgenden Jahrhunderten wurde das Supaniesystem durch vergaben an Kirchen, Klöster und Adlige weiter ausgehöhlt.

Aber nicht nur der slawische Landesausbau und die Festigung der deutschen Herrschaftsstrukturen bewegte das Land, sondern auch die Errichtung christlichen Kirchenwesens. Da zu diesem Thema direkte Quellen fehlen, hat man aus indirekten versucht, darauf zu antworten. Einmal geprägt, haben dann alle Seiten mit dem Stichwort Burgwardkirchen gearbeitet. Meist verstand man unter „Burgwarden“ ottonische Verwaltungs-Bezirke im Gefilde, die zugleich als Parochien fungierten. Die eine Seite sah die „Burgwardverfassung als bodenständig slawisch“ an, die andere aber sprach von „deutschen Kirchen im Sorbenlande“18. Nach dem eben zu Burg-Bezirk und Burg-Ward gesagten kann es gar keine Burgwardkirchen zu Anfang gegeben haben, da im Wildlande keine Menschen auf Dauer lebten.

Lange vor 968, ja noch vor 929 angelaufene Mission vorausgesetzt - und das ist der Sinn des bisher zu Burgwarden und Supanien gesagten - können daher erste Kirchen im Meißner Missionssprengel nicht im Wildlande der Wardbereiche, sondern in den Supanien Daleminzes und in den für uns nicht mehr fassbaren Burgbezirken Altmilskas vermutet werden. Zusammengeschlossen im Amt Meißen haben ihm die Supanien lange Zeit als Gliederung gedient. Auf eine Karte übertragen waren es bizarre Gebilde, vor denen schon mancher kapituliert hat. So füllten die neun Teile der Supanie Raußlitz im Gemenge mit den acht Splittern der Supanie Mertitz und weiteren exempten Stücken einen schmalen, 25 Kilometer langen Streifen von Süd nach Nord und durchquerten dabei mehr als zehn der mittelalterlichen Parochien. Weder im Bestbodengebiet um Lommatzsch noch in den altmeißnischen Ausbauländereien decken sich die mittelalterlichen Strukturen der Kirchfahrten mit denen der Supanien von 1334/36. Raußlitz ist Vorort für Kirche und Supanie, ohne dass sich die jeweiligen Bereiche decken. Nach Hohenwussen heißt zwar eine Supanie, jedoch erscheint der Ort selbst nicht in dieser Liste. Er hat auch eine Kirche, aber weder der Kirchort noch eines der eingepfarrten Dörfer unterstand der Supanie gleichen Namens. Dasselbe gilt für Schweta. Zur Kirchfahrt Kiebitz gehören nur fünf der zehn Orte dieser Supanie. Sollte Altlommatzsch einst Kirchort gewesen und durch Lommatzsch (Stadt) ersetzt worden sein, müsste das auch Änderungen in den Zugehörigkeiten zur Folge gehabt haben. Von der Supanie mit 14 und der Kirchgemeinde mit 15 Beidörfern sind nur fünf beiden gemeinsam. Von den wenigen einigermaßen geschlossenen Gebilden des Südens lässt sich sagen, dass die Kirche Krögis einen Teil der Dörfer der Supanie Soppen (10 von 29), die Kirche Mochau solche von Kleinmockritz (13 von 21), und die Kirche Rüsseina Dörfer von Gödelitz (10 von 23) betreute.

Während die Supanien auf Pannachs19 Karte schmalen Handtüchern gleichen, fallen auf seiner Sprengelkarte im Altland Kirchspiele durch ihre „Kreis“-Form auf. Der Kern Daleminzes liegt um Lommatzsch und kann als Viereck beschrieben werden: Wölkau - (Nordgrenze) - Staucha - (Westgrenze) - Churschütz - (Südgrenze) – Pröda/Meißen20. Hier dürften die Christusboten zuerst gepredigt haben. Als die Sorben ihr Kulturland nach Westen ausweiteten, fassten auch sie in den Bereichen um Staucha und Jahna Fuß. Hier könnten sie auf heidnischen Widerstand gestoßen sein. Da er auch eine politische Seite hatte, brach ihn Heinrich I. 929 und erstickte damit die Anfänge einer Opposition, die sich später religiös und national motiviert im Elbslawenaufstand von 983 zeigte. Schließlich erreichte der Landesausbau, der in den Grenzen der Supanien vorangetrieben wurde, im Süden die Linie Döbeln-Mochau-Leuben-Meißen. Aber dieser Grenze bediente sich die Kirche nicht. Sie sammelte die Christen in „Kreisen“, in den noch heute fassbaren Großkirchspielen Lommatzsch, Staucha, Jahna, Zschaitz, Döbeln, Mochau und Leuben21. Kirche und Siedelbewegung erreichten den Süden etwa zu der Zeit, - sei es durch Heinrich I., sei es durch seinen Sohn Otto I. - als man Daleminze durch Errichten von Burgwarden nach außen sicherte. Am Rande des Kulturlandes verschränkte man die deutschen Wildland-Ward-Bezirke mit den sorbischen Supanien. So war etwa der Einfall der Striegis in die Mulde bei Roßwein sowohl ein Rainpunkt für die Burgwarde Döbeln und Mochau wie auch für die Supanien Baderitz und Klein­mockritz22. Ein weiterer Grenzpunkt war das Muldenknie bei Nossen. An ihm schieden sich die Wardbereiche Mochau und Leuben und die Supanien Gödelitz und Raußlitz. Neben dem Wardstreifen unterstanden dem Vororte Leuben auch die Supanien Raußlitz, Mertitz und Soppen. An ihn schloss sich bis zur Elbe der Witsessenbezirk an. Im Norden war er bis zur Linie Bockwen-Polenz Meißens Burgbezirk mit seinen Riebenhufen23. Im Süden fungierte er bis zur Wilden Sau, der Grenze gegen Nisan, als Ward-Bezirk. Im Jahre 968 dürfte es in den Burgwardvororten Zehren, Boritz und Gröba schon Kirchen gegeben haben, aber nicht als „Burgwardkirchen“, sondern als Burgbezirkskirchen links der Elbe. Rechts des Flusses war damals fast menschenleeres Wildland.

Zum Verhältnis Supanie zu Parochie

A
Aus der Supanie NN kirchten nach 00
B
Zur Kirche in 00
hielten sich Orte der Supanien NN
SOPPENKLEINMOCKRITZRÜSSEINALEUBEN
Krögis Mochau Gödelitz Mertitz
   Gorna   (Auterwitz)   Abend   Badersen
   Görtitz   Dürrweitzschen   (Gödelitz)   Mertitz
   Krögis   Kleinmockritz   Höfgen   Schwochau
   Luga   (Mochau)   (Kreißa)   Wahnitz
   Mahlitzsch   (Naußlitz)   Mutzschwitz Rauslitz
   Mauna   (Ossig)   Noßlitz   Dobschütz
   (Meschwitz)   Präbschütz   (Praterschütz)   Graupzig
   Roitzschen   Prüfern   Rhäsa   Lossen
   Schönnewitz   (Schallhausen)   Rüsseina   Mettelwitz
   (Soppen)   Steinbach G.   Saultitz   Pröda/Lo
Rüsseina   Steinbach O.   Wölkau   Raßlitz
   Klessig   (Theeschütz) Soppen   Wauden
   Topschädel   (Wettersdorf)   Klessig Gödelitz
Raußlitz Rüsseina Raußlitz   (Praterschütz)
   Nößige   Lüttewitz   Stößwitz   Stahna
Ziegenhain   Markritz Kleinmockritz Kleinmockritz
   Leutewitz Zschaitz   Lüttewitz   (Nelkanitz)
Planitz   Glaucha   Markritz 
   (Sornitz)   Ottewig   Topschädel Externe
Meißen St. Afra Zschochau   Wettersdorf   Eulitz
   Robschütz   Beutig   Wetterwitz   Ketzergasse
Heynitz Leuben Hohenwussen   Leuben
   Heynitz   (Nelkanitz)   Gertitzsch   Perba
   Kottewitz Beicha   Leschen   Petzschwitz
   Wuhsen   (Dreißig)    Schleinitz
   (Wunschwitz) Externe Externe 
Miltitz   (Priesen)   Choren 
   (Miltitz)    Maltitz 
   (Zwuschwitz)    Priesen 
Taubenheim    Starnbach 
   Piskowitz   
   Sönitz   
   Weitzschen   
Burkhardswalde   
   Burkhardswalde   
   Groitzsch   
   (Munzig)   
Neukirchen   
   Neukirchen   
Rothschönberg   
   (Rothschönberg) Alle Angaben nach H. Pannach, Das Amt Meißen. Seine Ergänzungen stehen in Klammern

Fortschritt im Landesausbau, neue landwirtschaftliche Produktionsweisen und Annahme des Christenglaubens - das als Bündel gesehen - lässt sich aus dem Verhältnis der Supanien zu den Sprengeln ablesen. Im Altland lagern sich die Kirchen-“Kreise“ über die Supanien, anders in den Außenbereichen. In der Supanie Kleinmockritz hielt sich fast jedes Dorf zu einer anderen, näher gelegenen Kirche. An der Liste der Supanie Soppen fällt auf, dass sie keinen Ort im Altland nennt, ja sogar südlich der mehrfach erwähnten Linie Döbeln-Mochau-Leuben liegt, also ihre Existenz aus organisiertem Landesausbau herleitet und damit keine „Alte“ Supanie ist. Sie erstreckt sich bis an die Freiberger Mulde. An dieser Liste lässt sich Siedlungsgeschichte ablesen. Die Dörfer des sorbischen Landesausbaus kirchten nach Krögis, Rüsseina, Raußlitz und Planitz. Dann folgt die feudalbedingte Auflösung der Supanie, fassbar in den Herrschaftspfarreien Heynitz und Miltitz. Noch weiter im Süden treffen wir auf die Kirchen Taubenheim und Burkhardswalde mit sorbischen und deutschen Dörfern. An diese Kontaktzone schließen sich mit Neukirchen und Rothschönberg die Waldhufendörfer der deutschen Ostkolonisation an.

So wäre für Daleminze als Ergebnis festzuhalten, in dem anfangs noch menschenleeren Wildland der Waldbezirke gab es keine Gemeinden und Kirchen. Im Gefilde bildeten sich eigene Strukturen, die sich nicht mit den sorbischen Supanien deckten. Das änderte sich auch nicht beim weiteren Landesausbau und im Zuge einer intensiveren Christianisierung, wie die Beispiele der Sprengel von Rüsseina und Mochau belegen. Allem Anscheine nach wurden die Kirchspiele auch von den erweislich vielen Änderungen im Supaniegefüge kaum in Mitleidenschaft gezogen.

Gemessen an Daleminze sind die Voraussetzungen, etwas über frühe Gemeinden im Nisan und in Milska zu sagen, um vieles ungünstiger. Der beste Boden der Elbtalwanne findet sich zwischen dem Zschonerbach im Nordwesten und der Lockwitz im Südosten. Hier zählte man bei der ersten evangelischen Kirchenvisitation von 153924 bei der Kirche zu Briesnitz 26, und bei der Frauenkirche, der Mater Dresdens, 25 Beidörfer. Im oberen Elbkessel waren in die Kirche zu Dohna 44 Orte eingepfarrt. Diese „Parochien“ haben „Kreis“-gestalt und lassen keinen Zusammenhang mit einer möglichen älteren Gliederung des Gaues erkennen. Natürlich war auch der Nisan mit einem Gürtel von Burgwarden umgeben. Mit ihm sicherte man sich vor allem gegen Böhmen als möglichen Feind, hatte aber auch die vielen Pässe und Straßen zum Nachbarn zu überwachen. Urkunden nennen Niederwartha/Woz, Dresden-Briesnitz und Dresden-Pesterwitz Burgwarde. Für Dohna-Schloßberg steht es zu vermuten. Bei slawischen Burgwällen, die auch Burgwardvororte gewesen sein könnten, denkt man an die in Dresden-Coschütz, ‑Loschwitz, -Lockwitz und -Pillnitz, an die Wälle in Borthen-Burgstädtel und den Robschütz bei Dohna25. Über die Burgwardvororte des Nisan wird man wohl noch eine Weile spekulieren müssen, nicht aber über die Wardbereiche. In ihrer späten Zeit wurden sie zu Leitlinien des kolonisationszeitlichen deutschen Landesausbaues, der durch feudale Herrschaften gesichert wurde. Daraus lassen sich für den Bereich zwischen Wilder Weißeritz und Elbe die Wardstreifen Tharandt, Rabenau (mit Dippoldiswalde), Kreischa (mit Reinhardsgrimma und Bärenstein), Dohna (mit Liebstadt), Pirna (mit Berggießhübel und Gottleuba), Königstein und der Zschirnsteinstreifen südlich Reinhardsdorf vermuten. Von Rathen, Wehlen und Lohmen aus war die Straße aus dem Nisan nach Milska zu sichern. Sie führte nach Pirna die Wesenitz aufwärts über (Klein-) Drebnitz, (Bischofswerda,) und Göda nach Bautzen. Für die Gliederung des Landes auf der Granitscholle über dem rechten Elbufer bis zu Röder und Pulsnitz kann man nur Vermutungen wagen.

Von den Burgwarden Milskas war schon die Rede. Auch hier wirkten später die Wardbezirke als Kolonisationsschneisen, in denen Siedler und Herrschaften gemeinsam immer weiter ins Wildland vorrückten, wodurch Herrschaftsvororte zugleich auch Kirchorte wurden, etwa Neschwitz, Königswartha und Lohsa. Die ältesten Versamm­lungsstätten der Christen waren „Kreise“ im Altland: Göda/Crostwitz, Bautzen, Kittlitz/Löbau26. Nach den Funden gab es zwischen Reichenbach und Görlitz Slawen­weiler. Sie wurden aber in einer großen Kolonisationswelle in deutschrechtliche Dörfer umgelegt. So bleibt die Frage offen, ob es auch hier ein christliches Zentrum gab. Ein solches ist aber im Raum Sorau zu vermuten, den ja schon Thietmar 27 erwähnt.

Als ausreichend besiedelt und christianisiert darf auch der Zagost gelten, das Land hinter dem Walde mit Seidenberg, Ostritz und Zittau. Heinrich II. schenkte es als Ostrusna (Ostritz) zugleich mit Trebista (Kleindrebnitz) und Godibi (Göda) 1006 dem Bistum Meißen28.

Über die Zugehörigkeit der Landschaft Diadesa zum Bistum Meißen gibt es nur zwei Zeugnisse. Zum einen: der Gau lag innerhalb der 968 definierten Grenze des Elbbistums29; zum anderen: dieser Bezirk gehörte vor 965 einem Grafen - Markgraf Gero, der den ihm dort zustehenden Zehntanteil der Meißner Kirche schenkte30. Im Zusammenhang mit der Errichtung eines eigenständigen Bistums für Schlesien in Breslau um das Jahr 1000 schied diese Landschaft aus dem Meißner Verbande aus. Was bis dahin durch Mission dort bewirkt worden war, lässt sich nicht mehr feststellen.

Rechnet man zu Lommatzsch, Staucha, Jahna, Zschaitz, Mochau und Leuben in Daleminze noch Altmügeln, Boritz und Döbeln, zu Briesnitz, Dresden und Dohna im Nisan noch Leubnitz und den Zollort Pirna, zu Göda, Bautzen, Kittlitz, Sorau und Ostritz in Milska noch Görlitz und Zittau hinzu, so wären um das Jahr 1000 etwa 20 Großsprengel im behaupteten Missionsfeld Meißen vorhanden gewesen, denen viel­leicht noch zwei oder drei Sprengel in Diadesa hinzugerechnet werden könnten. Dieser Aufstellung darf die „sehr grobe Schätzung“ in der neuesten „Geschichte Sachsens im Mittelalter“31 gegenübergestellt werden, nach der um das Jahr 1000 in Dalaminze mit 7000 bis 8000, im Nisan mit 2000 und in Milska mit etwa 5000 Bewohnern gerechnet werden muss. Danach müsste die christliche Durchdringung der Landstriche im Augenblicke der Bistumserhebung schon beachtlich weit fortgeschritten gewesen sein.

Nach der Circumscription von 968 war der Meißner Sprengel aber größer als der eben beschriebene prätendierte Missionssprengel. Sowohl im Westen waren ihm noch Landstriche zugeschlagen wie auch im Osten Böhmen rechts der Elbe samt Glatz und Schlesien. Beide Dreiecke gehörten nicht zum ursprünglichen Meißner Arbeitsbereiche. Missionsarbeit haben hier wohl zuvor schon andere geleistet.

 1 E. Riehme, Markgraf, Burggraf und Hochstift Meißen, in: Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Meißen (1905).

 2 Siehe oben zur Circumscription, Abschnitt: Zwischen Elbe und Oder: Provincia Nizizi ad eundem terminum suum sine dubio;civitas Zulbice infra terminum zweimal zu 968, einmal zu 995.

 3 DO I 76. Dazu Huth (1985); ders. (1991) - L84.

 4 DO I 232a - L117.

 5 von Sickel zu DO I 76: Magdeburger Diktat.

 6 G. Billig, Die Burgwardorganisation im obersächsisch-meißnischen Raum, Berlin 1989. Beilage 1, Die Verbreitung der Burgwarde, Civitates, Urbes und Castella nach der schriftlichen Überlieferung. - Billig übernahm an keiner Stelle die Definition eines Burgwardes nach DO I 76, 232a u.ä.

 7 Text zu NLM 95 (1919). Dazu J. Huth, Die Burgwarde der Oberlausitz, Letopis B 28 (1982).

 8 Ebendort die Karten auf den Seiten 150, 151, 161.

 9 Diskussion um die Probleme einer solchen Herrschaft in Letopis B 36 (1989) als Entgeg­nung auf R. Spehr, Baruth - die versunkene Burg, Stammsitz eines mächtigen Herrscher­geschlechts - Geschichte der Wasserburg Baruth, Kr. Bautzen. Zu Fragen der Methodo­logie der Auswertung ihrer Quellen. ‑ Beiträge von Knebel, Schuster, Billig und Huth.

10 J. Knebel, Die Territorialentwicklung des Milzener Stammesgebietes vom 9. bis zum 11. Jahrhundert auf Grund des archäologischen Burgenbildes, in: Letopis B 34 (1987).

11 Nicolaus/Huth, Supane und Heimbürgen in der Oberlausitz, in: Letopis B 21 (1974), S. 55 f.

12 W. Schlesinger, Mitteldeutsche Beiträge zur Deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, Göttingen 1961. S. 31 und 224.

13 H. Pannach, Das Amt Meißen vom Anfang des 14. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, Berlin 1960.

14 Emmeraner Mönch, siehe oben Seite ..., Anmerkung .

15 J. Huth, Zur Bedingtheit kirchlicher Strukturen des Mittelalters in Sachsen, in: Herbergen der Christenheit 1975/76, Berlin, Versuch Seite 159-166, Karte Seite 176.

16 Pannach, Meißen S 98ff.

17 Burgward Huuoznie von 981 = Ketzergasse bei Leuben. Siehe Huth, Bedingtheit S. 29.

18 H. F. Schmid, Die Burgbezirksverfassung bei den slawischen Völkern. in Jbb. f. Kultur u. Gesch. d. Slawen (1926); - W. Schlesinger, Die Deutsche Kirche im Sorbenland und die Kirchenverfassung auf westslawischem Boden, 1952, jetzt in: Mitteldeutsche Beiträge S. 133 - 157.

19 Pannach, Amt Meißen. Die beigegebenen Karten;. - Auch Blaschke, Haupt, Wiesner, Kirchenorganisation. Dort die Karten.

20 J. Huth, Versuch (1980) S. 159 -166, dazu Karte S. 176.

21 Vgl. Schlesinger KGS I, Abschnitt: Die ältesten Pfarrkirchen. S. 142 - 214. Hier S. 200.

22 Huth, Bedingtheiten, Karte S. 28 (schematisiert).

23 Pannach, Amt Meißen. S. 99 Anm. 22 Riebenhufenorte. Witsessenorte S. 138f.

24 Schlesinger KGS I S. 192; Blaschke, Historisches Ortsverzeichnis von Sachsen, Erster Teil Mittelsachsen zu den genannten Orten.

25 Billig wie Anm 6, Beilage 2.

26 Schlesinger KGS I S. 206ff; Blaschke wie Anm 19.

27 Thietmar VI 34 - L410.

28 Zagost = Ostrusna = Gebiet um Ostritz. E. A. Seeliger, Das Land Zittau bis zum Jahre 1319, in: Mitt. d. Ver. f. Heimatk. d. Jeschken- und Iserlandes, Jg. 15, 16, 17 (1921-23); ders., Heimatkunde des Bezirkes Friedland III (1926ff.); ders., Das Land Zittau - ein alter Bestandteil der Oberlausitz, in NLM 103 (1927) 61 - 69; J. Huth, Die slawische Vorbesied­lung des Eigenschen Kreises, in: Letopis B 9 (1962) 21 - 59; ders., Slawische Siedlungen und Burgen im Eigenschen Kreise, in: Arb. u. Forsch. Ber. z. Sächs. Bodendenkmalspflege 11/12 (1963) 89 - 109. - Eine landesgeschichtliche Fehlleistung, die aber bis dato von vie­len nachgeschrieben worden ist, ist die Arbeit von R. Jecht, Erste Erwähnung der Oberlau­sitz. Der Gau Besunzane und die urbs Businc sind gleich dem Orte Biesnitz und der Lan­des­krone, in: NLM 97 (1921). Kritik daran von J. Huth, Siedlungsgeschichtliche Grund­lagen und Voraussetzungen für die Stadtwerdung von Görlitz und Löbau, in: Letopis B 18 (1971) 189 - 220. - DH II 124 - L405.

29 Circumscription in Z 187, DO I 449, DO III 186.

30 DO I 406.

31 Blaschke, Karl Heinz, Geschichte Sachsens im Mittelalter, Berlin 1989, S. 66.