JOACHIM HUTH

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Joachim Huth

01.11.14

 

Die Zehntrechte der Kirche zu Meißen

Decem und Decimatio sind termini technici des feudalen Abgabe- und Steuerwesens. Vier Urkunden bestätigen der Kirche zu Meißen das Kirchensteuerrecht, zwei den Genuss eines Grafenzehnten und eine einen Zehnt im Burgwart Boritz. Den zuerst genannten vier Texten liegt die gleiche Bewidmungsformel zugrunde: Omnes vero … qui infra terminus istum habitant, in omni fertilitate terre … decimationes … ad Misnensem ecclesiam … universa dubietate procul remota persolvant, referant et reddant. Alle Christen im Sprengel Meißens haben dieser Kirche zu zehnten. Die Varianten der einzelnen Urkunden geben dem Grundtext erst das rechte Kolorit. So nennt die Fälschung DO I 437 den Meißner Sprengel zu Unrecht praedium/Besitz. Wichtig ist der den Zehntpassus einleitende Satz der Bulle vom 2. Januar 968: omnes vero, quemadmodum hii praesentes imperatores statuisse fatentur. Die zur römischen Synode anwesenden Kaiser, Vater Otto I. und Sohn Otto II., räumen ein, der Kirche zu Meißen schon lange vor der Niederschrift der Bulle das Kirchensteuerrecht gewährt zu haben: statuisse fatentur - ein Satz, auf den bisher noch keine Kirchengeschichte Sachsens hingewiesen hat. Ebenfalls auf die Zeit vor der Errichtung eines Bistums in Meißen weist die Zueignung des Zehnten an Johannes den Evangelisten, den Patron Meißens: primo deo, deinde sancto Johanni evangelistae. Erst die Kaiserurkunde vom 19. Oktober (!) 968 fügt hinzu: beatoque Donato martyri dei, was dann das Diplom Ottos III. vom 6. Dezember 995 wiederholt. Zum Bestand des Grundtextes gehört auch die Liste dessen, was zu verzehnten ist.

Eine ebensolche Zusammenstellung bieten die beiden Grafenzehnttexte. Einem nicht namentlich genannten Grafen hatte ein Tributzehntel aus fünf Slawengauen zugestanden. Während seines Aufenthaltes in Ravenna - zwischen dem 28. März und dem 4. Oktober 970 - bestätigte Otto I. Bischof Folchold (!) von Meißen im Genuss dieser Einnahmen (DO I 406). Der Langtext der Bulle aber nennt schon Bischof Borchard, den Vorgänger Folcholds, als Inhaber dieses Titels. Das Original der in der Bulle inserierten Urkunde für Borchard hat sich nicht erhalten, dürfte sich aber in der Schreibung der Gaunamen und der Reihung der Gaue von der für Folchold unterschieden haben: Talemence, Nisanen, Luzice, Mulczsane, Diedesa - Dalaminza, Nisane, Diedesa, Milzsane, Lusiza. Zu beachten ist auch der Wechsel in der Charakterisierung der Landschaften: in der Bulle sind es Regionen, im Diplom Provinzen.

Wegen der Auflistung dessen, wovon Zehnt gefordert werden konnte, sei hier noch der Zehnt im Burgwart Boritz erwähnt, den das Diplom Ottos II. von 983 (DO II 184) nennt. In allen drei Aufzählungen begegnen die gleichen Dinge, wenn auch in anderer Folge und mit wechselnden Begriffen, was auf unterschiedliche Formelbücher der ottonischen Kanzleien verweist. Interessanterweise gehören Honig und Rauchwaren nicht zu den kirchensteuerpflichtigen Dingen. Daraus erklärt sich zugleich auch, dass Honigzehnten seitens der Herrscher den Kirchen besonders verliehen wurden, etwa an Magdeburg den an Mulde, Spree und Elbe (DO I 303/965).

Die Zehntdefinitionen in den frühen Meißner Urkunden:

KirchenzehntGrafenzehntBurgwardzehnt Boritz
Z 187 A (968)
DO I+437, 449 (968)
DO III 186 (995)
Z 187 B (968)
DO I 406 (970)
DO II 184 (983)
Omnes, qui infra terminum habitant in diversis modis decimationes, quas deo cuncta gubernanti debent in omni fertilitate terre Hoc est tributi pars decima … per totum et per integrum id est in Omnes, qui in burgwardo habitent omnem decimationem rerum suarum reddant
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6
 
 
7
frugum
pecudum
argento
vestimento
ovarcoupunga
talunga familiarum
 
 
tota utilitate et in omnibus rebus quibus mortales utuntur
1
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8
4
7
2
frumento
porcis
solutione argenti
vestimentis
uberchoufunga
mancipiis
melle
crusina
1
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3
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7
8
5
6
9
frugum
pecudum
pecuniarum
vestimentorum
uvarcophunga
talunga familiarum
mellis
crusinarum
omnium utilitatum quibus mortales utuntur

NB: Die Zahlen geben die Reihenfolge der Begriffe in den jeweiligen Urkunden an.