JOACHIM HUTH

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Joachim Huth

01.11.14

 

Die Circumscription der Diözese Meißens

Eine Sprengelbeschreibung des Bistums Meißen findet sich in der falschen, auf den 11. Januar 948 datierten Urkunde DO I+437, in den zwei Versionen der Bulle Si semper sunt vom 2. Januar 968, in dem als Fälschung verdächtigten Texte vom 19. Oktober 968 (DO I+449) und im Pergamente vom 6. Dezember 995 (DO III 186). Bei sachlich gleichem Text unterscheidet sich die Fälschung auf 948 von den anderen Belegen darin, dass in ihr die Berainung an der Quelle der Freiberger Mulde beginnt und endet, bei den anderen aber der Ursprung der Oder Anfang und Ziel ist. Um Wiederholungen und Überschneidungen zu vermeiden, werden die sachlich gleichen Texte der Umschreibung hier zusammen behandelt.

Als Fälschung verschrien, ignorierten die Historiker diese Texte. Die einen beschrieben den Sprengel der Diözese Meißen nach der Bistumsmatrikel von 14951. Andere suchten ihren Umfang aus den für echt gehaltenen Urkunden der Meißner Frühzeit abzuleiten. So auch Schlesinger in der Kirchengeschichte Sachsens, deren Manuskript er zwischen 1948 und 1951 erarbeitete2. Er ging vom Landschaftsbild des 10. Jahrhunderts aus, in dem der Wald gegenüber heute einen viel größeren Raum einnahm. In den lichten Heidewäldern des Nordens wie in den unwegsamen Urwäldern des bergigen Südens wirkten die slawischen Gefilde wie Inseln in einem weiten Meer. Man habe kaum Grenzlinien gekannt und die Wälder als Grenzsäume betrachtet. Die breite Waldzone des Miriquidi zwischen Böhmen und Dalaminze sei eine Naturgegebenheit, und daher eine Definition einer Grenze zwischen den Bistümern Meißen und Prag unnötig gewesen. Auch die politischen Bedingungen sprächen dafür, die Grenze der Diözese Meißen zu Anfang als fließend anzusehen. Das meißnische Missionsgebiet und damit die künftige Diözese habe so weit gereicht, wie die deutsche Herrschaft das kirchliche Wesen zu schützen vermochte3. Bei seinen Studien zur Urkunde Ottos III. vom 6. Dezember 995 befand Schlesinger 1955 dann unsere Circumscription doch noch für echt: Ihrer Art nach kann diese Grenzbeschreibung ... durchaus dem 10. Jahrhundert angehören4. Leider zog er aus dieser Einsicht keine Konsequenzen, als er sein Manuskript von 1948 für den Druck seiner Kirchengeschichte Sachsens von 1962 überarbeitete5.

Im Folgenden gilt unser Augenmerk nicht der Frage, ob die Aussagen der Meißner Umrainung in das derzeitige Geschichtsbild hineinpassen, sondern den Inhalt der Texte erst einmal unverkürzt zu erfassen.

Abschnitt A : Die Grenze zwischen Oder- und Elbquelle

Ubi caput et fons aquae, quae dicitur Odera, inde quasi recta via usque ad caput Albiae - Von der Oderquelle läuft die Grenze geradewegs zur Elbquelle.

Richtig gelesene Karten sind ein wichtiges Hilfsmittel, die Grenzverläufe alter Urkunden richtig zu deuten. Zum richtigen Lesen gehört auch das Wissen um den Unterschied zwischen der heutigen und der Hydrographie der Alten. Sie folgten den Strömen flussauf und gaben den Namen dem Zufluss, der die bisherige Laufrichtung bestimmte. Das war bei der Albia nicht das Wasser, was in den Siebengründen des Riesengebirges zwischen Krkonosch (1411 m) und Hohem Rad/Czyszak (1509 m) quillt, sondern das, was heute Adler/Orlice heißt und in Königsgrätz/Hradec Karlove in die Elbe fällt. Von ihren Zuflüssen bestimmte aber nicht die wasserreiche Wilde Adler/Divoka Orlice den Lauf, sondern die Stille Adler/Ticha Orlice. Für sie spricht auch, dass sie weiter im Osten und am Hang eines markanten Berges entspringt. Von der Oderquelle6 läuft daher die alte Meißner Bistumsgrenze über die Höhen des Mährischen Gesenkes/Jeseniky zum Ursprung der Albia7. Dieser Rain ist alt und entspricht etwa dem, der bis 1918 innerhalb der Donaumonarchie den Landesteil Österreichisch-Schlesien vom Markgraftum Mähren schied. Naturgegebene Grenzpunkte waren Peterstein/Petrova Skala (1464 m), Altvater/Praded und Glaseberg/Keprnik (1423 m). Der Gipfel des Altvaters trägt einen alten Grenzstein, der den Besitz des Fürstbischofs von Breslau (!) auf der österreichisch-schlesischen von der Herrschaft Ullersdorf auf der mährischen Seite schied. Über diese Gipfel verläuft die Grenze zum Schneeberg (1424 m), an dem sich drei Länder treffen. Da ihn jede Seite als ihren Berg beansprucht, hat er auch drei Namen. Die Grafschaftler nennen ihn Glatzer-, die Markgräfler Spieglitzer/ Spiglicky- und die Böhmen den Grulicher Schneeberg/Kralicky Sneznik. Zu beachten ist, dass sich Böhmen hier zwischen die Grafschaft Glatz und die Markgrafschaft Mähren mit einer Spitze von 15 km Tiefe bei einer Basisbreite von etwa 8 km einschiebt und so den Schneeberg zum Dreiländereck macht. Hoch oben an seinem Südhang quillt die March/Morava, längs der hier Böhmen und Mähren rainen. Das heutige Abflusssystem entwässert hauptsächlich zur March. Die Höhenlinien der Karten8 lassen sich aber auch dahin deuten, dass ehedem die Quellwässer der heutigen March durch den Sattel zwischen Groß Mohrau/Velka Morava westwärts nach Oberlipka/Horni Lipka und dann als Adler zur Elbe geflossen sein könnten: Die Albia des 10. Jahrhunderts wäre daher am Glatzer Schneeberg entsprungen. Dieser Schluss deckt sich mit den Angaben des Magisters Adam von Bremen, der schreibt: Der Oderfluss entspringt in den unergründlichen Gebirgswäldern der Mährer, wo auch unsere Elbe ihren Anfang nimmt. Einerseits sind ihre Quellen nicht weit voneinander, andererseits aber laufen sie in verschiedene Richtungen9.

Abschnitt B : Die Elbe als Trennlinie quer durch Böhmen

.. ad caput Albiae, inde deorsum in occidentalem partem, ubi divisio et confinium duarem regionum Behem et Nisen - Von der Albiaquelle (im Osten) läuft die Meißner Bistumsgrenze mit der Elbe nach Westen bis zur Landesscheide zwischen Böhmen und Nisan.

In Sachsen seit langem angezweifelt, erwähnen auch Erben und Emler diesen Text in den Regesta Bohemiae10 nicht. Als Posse die frühen Urkunden der Mark Meißen herausgab, bezeichnete er unseren Text als Fälschung11. So kam das Votum Theodors von Sickel für die Echtheit des Diploms Ottos III. vom 6. Dezember 995 für die sächsische Geschichtsschreibung zu spät12. Wie wenig man auf ihn hörte, zeigt etwa Friedrich, der den Text des DO III 186 nicht in seinen Codex Diplomaticus Bohemiae aufnahm13. Nach Ausweis der eingesehenen Literatur ist daher der Text bis in unsere Tage in Böhmen nicht diskutiert worden.

Von allen Seiten von Gebirgen umgeben, bildet dieses Land eine geographische Einheit - die Festung Böhmen. Aus dieser Gegebenheit wird auch die historische Einheit abgeleitet und Prag14 als das politische und kirchliche Zentrum angesehen. Die Elbe als eine Trennlinie quer durch Böhmen zu verstehen, ist daher ein Novum: Vor tausend Jahren unterstand das Land rechts der Elbe der Jurisdiktion des Bischofs von Meißen und nur links des Flusses hatte der von Prag das Sagen.

Rudolf Turek, ein tschechischer Historiker, ist eine gute Übersicht der Ereignisse jener Zeit in deutscher Sprache zu danken15. Er bedauert die Unvollständigkeit der heimischen, tschechischen (4) wie auch der fränkisch-deutschen (90) Geschichts-quellen. Darum bemüht er die Archäologie (8), die Anthropogeographie (68) und die Philologie mit ihren Disziplinen (74). Erfreulicherweise wiederholt er alles, was er über Burgwälle (13), Begräbnisriten (41) und zur mittelalterlichen Kirchenorgani-sation (61) sagt auf den dem Buch beigegebenen Karten. Durch sie veranschaulicht er auch, wie er den Bairischen Geographen (77) und die Reiseberichte der jüdischen und arabischen Kaufleute des 10. Jahrhunderts (86) versteht.

Die wechselnden politischen Gruppierungen der slawischen Frühzeit Böhmens basieren nach Turek auf 13 regionalen Einheiten. Die Zlicane wohnten zwischen Elbe und Sazawa (51). Das große Gebiet der Ostkroaten lag zwischen Elbe und Iser (52). An der mittleren Iser wohnten die Westkroaten (53). In einem schmalen Streifen längs der Elbe siedelten bei Melnik die Psovane (53). Das Gebiet der Litomerice war sehr klein. Ihm lag das der Decane an, die am Polzen saßen (54). Wohnten diese Gruppen alle rechts der Elbe, so die Lemuzi links. Die Biela, die bei Aussig/Usti n.L. in die Elbe mündet, ist die Mittelachse ihres Gebietes (54). Die Lucane waren ein Bund von mindestens fünf Stämmen, die längs der Eger/Ohre siedelten (55). An der oberen Eger wohnten die Sedlicane (56). Um Prag treffen wir auf die Cechove im engeren Sinne (57). In Südwestböhmen dehnte sich die riesige Region der Doudlebe (58). Dazu kam im Westen das fürstliche Gebiet Tugast (59) und in Nordböhmen die Region Sagost (60)16.

Die Lucaner versuchten als erste das Land zu einen. Sie unterlagen den Tschechen. Für 872 rechnet Turek mit fünf Mächtegruppen in Böhmen. Durch seine Heirat mit der heiligen Ludmilla bahnt der Przemyslide Boriwoj Beziehungen der Tschechen zu den Psovanern an. Sein Enkel, der heilige Wenzel, scheiterte am Widerstand der Zlicaner unter ihrem Fürsten Ladislaus und an der Separation seines Bruders Boleslaus, der ihn 935 ermordete und dadurch Prags „zentrale Aufgabe“ rettete (97). In Ostböhmen setzten sich die Ostkroaten durch (98). Zu Ende des 10. Jahrhunderts standen sich zwei Gruppen gegenüber. Das Haus Slavnik residierte in Libice und beherrschte im Süden den Tugast, die Doudlebe, die Zlicane durch Heirat und Erbe, dazu die Ost- und Westkroaten. Cosmas nennt Glatz, Leitomischl/Litomysl, Cheynow bei Tabor, Dudleben bei Budweis und Netolici bei Pisek Grenzburgen Slavniks17. Die Przemysliden saßen in Prag und regierten über Tschechen, Sedlicaner, Lucaner und Lemuzen. Zu welchem Block Decane, Litomerice und Psovane gehörten, sei hier offen gelassen. Wenn Turek die Psovane für Sorben achtet (81), könnte das auch für die beiden anderen gelten. In Geographie umgeschrieben heißt das, die Adler-Elbe-Linie schied die Bereiche der Slavniken und Przemysliden.

1866 marschierten die Preußen in drei getrennten Heeressäulen gegen Böhmen, vereinigten sich auf dem Schlachtfelde von Königsgrätz und schlugen sich mit den Österreichern. So war 805 schon Karl der Große verfahren. Dass zu gleicher Zeit die Sachsen von Norden, die Bayern von Westen und die Babenberger von Süden ins Land gefallen seien, berichtet Cosmas18. Meist operierten die Gruppen selbständig. Die Bayern zielten auf Prag. Die Sachsen stießen an der Elbe vor. Das sieht sehr nach Aufsichts-, Einfluss- und Tributzonen aus, in die Böhmen mindestens seit den Zügen Ottos I. aufgeteilt gewesen sein könnte. Prag und die Przemysliden hätten den Bayern, Libice und die Slavnikinger den Sachsen unterstanden, und die Adler-Elbe-Linie wäre also die Grenze zwischen diesen Zuständigkeitsbereichen gewesen. So berichtet Widukind von Corvey19, der Tod König Heinrichs I. (936) habe Erhebungen der Barbaren ausgelöst. In Böhmen erschlug Boleslaw seinen älteren Bruder, den regierenden Herzog Wenzel, und griff auch den benachbarten Häuptling an, „weil dieser den Befehlen der Sachsen Folge leistete“ (II 3). Seine Bitte um Hilfe löste Kriegszüge aus, denen Waffenstillstände folgten, die mit Geiselstellungen besiegelt wurden. Zum Jahre 936 berichtet Widukind: „Als sich um diese Zeit der König (Otto I.) in den Waldgegenden aufhielt um zu jagen, sahen wir dort (!) die Geiseln Boleslaws, die der König dem Volke zeigen ließ. Ihm hatte ihre Ankunft große Freude bereitet“ (II 40). Die Rebellion endete 950, als sich Boleslaws gleichnamiger Sohn in Nimburg c./Nymburk rechts (!) der Elbe „unter die Fahne stellte“ (sich unterwarf) (III 8). Dass rechts der Elbe die Sachsen, links aber die Bayern das Sagen hatten, ergibt sich aus Thietmars Bericht: den ruchlosen Boleslaw warf der König nieder und übergab ihn der Hut seines Bruders Heinrich, des Baiernherzogs (!): serviendum traditus est (II 1)20.

Dazu korrespondiert, was Turek berichtet: das Haus Slavnik sei mit dem sächsischen Kaiserhause verwandt gewesen (98). Seinen Sohn Vojtech gab er in die Klosterschule nach Magdeburg, wo er zehn Jahre weilte und in der Firmung den Namen seines Lehrers Adalbert empfing. Nach Cosmas starb Slavnik 981, seine Frau Strezizlava 987 (I 27f). Sein Sohn Sobeslaus hielt sich wegen der Przemysliden zu Boleslaus Chrobry von Polen.

Im Niedergang der karolingisch-fränkischen Macht übernahm Markgraf Luitpold das Amt eines Herzogs in Bayern. Gegen seinen Sohn Arnulf vermochte sich König Konrad (911-918) nicht durchzusetzen. Er opponierte auch gegen Heinrich I. (918-936). Beide einigten sich aber 921 in Regensburg. Arnulf anerkannte Heinrich als König, behielt aber in seinem Herzogtum nach innen und außen (!) freie Hand. Mit Herzog Berthold starben die Luitpoldinger 947 aus. Otto I. setzte seinen Bruder Heinrich (947-955) ein, der damit eine Nebenlinie des Sächsischen Kaiserhauses gründete. Er setzte die traditionelle Politik des Bayrischen Stammes fort. Ihm folgte sein Sohn Heinrich (II.) der Zänker (955-995). Der Mann mit dem abträglichen Beinamen weitete Bayerns Grenzen bis an Mur und Raab aus, was ohne Flankensicherung gegenüber oder durch Böhmen unmöglich war. Den Prager Herzog finden wir daher immer an der Seite des Zänkers. So waren die Luitpoldinger und diese Heinriche nicht die Leute, sich ihre Bayrische Einflusssphäre in Böhmen beeinträchtigen zu lassen21. Der Übergabe Boleslaus an Heinrich (I.) um 950 wurde oben gedacht. Vielleicht gehörte die Adler-Elbe-Linie schon zu den Absprachen von Regensburg (921), vielleicht ist sie noch älter22. Als der Przemyslide Boleslaus II. am 28. September 995 Libice überfiel und die Slawnikinger ausrottete, fiel politisch die Elbgrenze durch Böhmen. Wie jedoch DO III 186 vom 6. Dezember gleichen Jahres zeigt, war man aber noch nicht bereit, sie auch kirchlich zu annullieren, wenn auch sie bald danach aufgegeben worden sein dürfte.

Abschnitt C : Die Grenze über den Erzgebirgskamm

Ubi divisio et confinium duarum regionum Behem et Nisenin, ibidem ultra Albiam et per silvam in occidentalem partem usque ad caput Mildae. - Von einem gewissen Punkte des Elblaufes zieht sich die Grenze durch die Wälder des Erzgebirges zur Quelle der (Freiberger) Mulde. - Bisher sah man in der Königsnase bei Struppen inmitten der Sächsischen Schweiz die Grenzscheide zwischen Böhmen und der sorbischen Elbtallandschaft Nisan. Die das begründen, stützen sich auf spätmittelalterliche Gegebenheiten. Nun ist die alte Grenze so großlinig einfach und aus der Natur übernommen, dass dieser versteckte Winkel kaum gemeint sein kann. Wegen ihrer Zerklüftung dürfte die Sächsische Schweiz insgesamt ausscheiden. Liegt der Punkt elbabwärts, dann bei Pirna, liegt er noch vor dem Elbsandsteingebirge, dann bei Tetschen-Bodenbach/Decin-Podmokli. Auf alle Fälle aber muss der Punkt eine klare Verbindung zum Erzgebirgskamm gehabt haben. Bei Pirna geht der Sandstein allmählich in andere Formationen über. Bei Tetschen aber erhebt sich die Sandsteinscholle wie eine Barriere. Der Wechsel von den Basaltkuppen des Böhmischen Mittelgebirges zum Sandstein ist abrupt, unübersehbar markant. Darum ist divisio auf die Stelle zu beziehen, an der die Elbe die oberlausitzisch-erzgebirgische Verwerfung hart nördlich Tetschen erreicht. Von hier läuft die Meißner Sprengelgrenze über den Hohen Schneeberg (721 m), die Thyssaer Wände (610 m), den Keibler (722 m), das Mückentürmchen (806 m) und den Bornhau (911 m) zur Quelle der Freiberger Mulde. Historisch ist lediglich zu vermerken, dass Böhmen später politisch und kolonisatorisch nach Norden auszugreifen versuchte. Während einer der böhmischen Perioden konnte das Bistum Prag kirchenbauend seinen Sprengel bis Königstein und Struppen nach Norden erweitern, den es erst durch die Reformation verlor.

Während die vier Texte sonst die Grenze einhellig beschreiben, bieten sie für den Muldenabschnitt ungleich lange Fassungen. Das stufenweise Wachsen der Definition lässt sich an den Daten, und aus den jeweiligen Erweiterungen der Anlass dazu ablesen.

Zur Zeitstellung des Langtextes ergibt sich aus der Textgeschichte der Meißner Muldengrenze, dass dieser Mitte des Jahres 968 geschrieben worden ist:

Urkunden  Ihr Datum
ABC 
Z 187 A
Z 187 B
I 449
III 186
 
 
I 449
III 186
 
 
I 449
III 186
02.01. 968
Mitte 968
19.10. 968
06.12. 995
usque ad caput Milde et sic deorsum (per/Z 187 AB) ambas plagas eiusdem
fluminis
  scilicet prope orientalem ripam Rochelince et sic
usque dum intrat in Albiam  
 nec non obhoc diximus in occidentali plages quia multe ville pertinent ad orientales urbes

(infra eundem terminum/Z 187 B)

et sic sursum  ...   

Die Fälschung auf 948 (DO I 437) begrenzt das Meißner Arbeitsfeld linear: ubi oritur fluvius, qui dicitur orientalis (!) Milda, inde usque quod fluvius intrant in Albiam et sic sursum. Doch schon die Bulle Si semper sunt concedenda kennt die Mulde nicht mehr als Lineargrenze. Die Gegebenheiten entlang des Flusses hatten zur Arbeit verschiedener Missionsunternehmen per ambas plagas und zu Schwierigkeiten geführt. Diese wurden in Vorbereitung der Bistumserhebung ausgeräumt.

Am Unterlauf der Mulde lagen viele Kleinlandschaften. 961 wird die altera regio Neletici mit ihrem Vorort Wurzen rechts und Quezici mit Eilenburg links der Mulde erwähnt. Später werden noch Hohenprießnitz, Düben, Löbnitz, Pouch und (Alt-) Jeßnitz als Bezirkszentren genannt23. Darum wurde unter Beachten der politischen Gliederung die Seelsorge durch Meißen so geregelt, dass alle Vororte auf dem rechten Muldenufer - etwa Wurzen, Düben, Altjeßnitz, weil auf der Meißner Seite des Flusses gelegen - auch die zu ihren Bezirken gehörenden Siedlungen auf dem anderen Ufer zu betreuen hatten. Daran änderte auch die Aufhebung und Wiedererrichtung des Bistums Merseburg nichts. Für den Bischof und Chronisten Thietmar von Merseburg war sein Bistum viel zu klein wiedererstanden. Er berichtet, auch 1017 habe er wieder einmal alte Rechte seines Bistums bei Kaiser Heinrich II. einklagen wollen. Wider Erwarten entschied der aber den Streit um die Diözesanhoheit in den Burgwarden Püchau und Wurzen dahin, dass er die Mulde linear zur Grenze erklärte. Thietmar jammerte, so habe er die Püchauer Dörfer auf dem Ostufer Bischof Eilward von Meißen überlassen und sich mit den Wurznern auf der Westseite zufrieden geben müssen - mihi hoc nunquam desideranti relinqueret, die ich gar nicht haben wollte. Den Gewaltspruch hatten beide Bischöfe durch den Austausch ihrer Stäbe zu bestätigen (VII 52). Des Kaisers Wort galt nun anstelle des alten nec-non-ob - entlang der Mulde, wie spätere Ereignisse belegen24.

1137 urkundete Papst Innozenz II., zwischen Magdeburg und Meißen habe auch weiterhin unverrückt die Grenze zu gelten, die Kaiser Heinrich IV. (1056-1106), Erzbischof Werner von Magdeburg (1063-78) und Bruno I. (1046-64; wohl eher Benno, 1064-1106), Bischof von Meißen, definiert hätten: ad lapide scilicet posito ad australem partem cuiusdam Burchstal, quod dicitur Bichin, inde ad Wisennasfot, inde ad aquam, quae vocatur Circuisinci, inde ad Albiam fluvium, et sic protenditur usque Magdeburg25. Ein Stein südlich der Burg Püchau ist der Ausgangspunkt. Das weist auf die Mulde als mit keinem Wort genannte Leitlinie der Grenze. Wisennasfot und Circuisinci verstehe ich als markante Punkte des Muldelaufes. Wisennasfot ist an der Laufänderung bei Bad Düben zu suchen, einer alten Straßen- und Furtstelle. Circuisinci ist ein Gewässer und könnte die Fuhne sein, die im Muldenknie bei Jeßnitz mündet. Püchau, Düben, Jeßnitz und die Muldenmündung bei Dessau haben etwa gleichen Abstand. Keineswegs entnehme ich der Grenzbeschreibung von 1137 den Hinweis, von Jeßnitz = Raguhn in ungerader Linie querfeldein ostwärts zum Elbknie an der Mündung der Schwarzen Elster zu gehen. Das ist eine spätere Änderung, über die nichts überliefert ist. Die Magdeburger Sedes Mildensee und Kemberg sind auffallend klein und setzen die Grenzlinie der Meißner Archidiakonate Wurzen und Torgau zu genau bis zur Elbe fort, als dass sie nicht als späte Loslösungen betrachtet werden müssten.

Von anderen kirchlichen und politischen Kräften veranlasst ist auch die Regelung zwischen Meißen und Merseburg im Raume Rochlitz zu sehen. Anfangs mag die Freiberger Mulde den Meißner Missionsbezirk begrenzt haben. Zu Beginn des 10. Jahrhunderts überschritt aber der daleminzesche Landesausbau den Fluss. Südlich Döbeln belegen das Ortsnamen wie Greußnig, Mehlitzsch und Striegis, nahe Kloster Buch etwa Paudritzsch, Lauschka, Töpeln und Wendishain (!), und bei Leisnig Meinitz, Minkwitz, Brösen und Görschwitz. Somit hatte die Kirche per ambas plagas zu arbeiten. Neben dem slawischen Landesausbau ist auch an die wehrpolitische Neuerung der Ottonen zu denken, an die Burgwarde. In Daleminze erstreckten sie sich vom Gefilde über die Mulde nach Süden bis zum Erzgebirgskamm. Die Burgwarde Döbeln und Hwoznie werden schon zum 981 genannt26. Die hier entstandenen Probleme löst das Diplom Ottos I. vom 19. Oktober 968: scilicet prope occidentalem ripam Rochelince et sic ... (DO I 449). Bisher konnte man sich diese Regelung nur als Folge der Aufhebung des Bistums Merseburg im Jahre 981 vorstellen und erklärte dieses Passus wegen die Urkunde als Fälschung. Mit diesem Urteil geriet auch der Chronist Thietmar in Misskredit27, jedoch zu Unrecht. Den Gau Daleminze mit seinen Zentren Lommatzsch und Meißen begrenzt er richtig mit der Elbe/Albia im Osten und der Chemnitz/Caminici im Westen (I 3). Letztere ist ihm zugleich die Scheide des Gaues Chutizi (I 4), in dem seine Bischofsstadt Merseburg liegt. Als man diese Diözese auflöste, unterstellte man Gutizi orientalis/Ostchutizi Meißen28. In diesem Abschnitt lagen Wissepuig/Zschillen-Wechselburg und Lostatawa/Lastau. Als Grenzen nennt er die Flüsse Caminice und Albi. Zwar ergibt sich aus dem Textzusammenhang in 19 Fällen, dass Albi der Elbstrom ist, in unserem Fall aber ist Albi das Glied einer geographischen Gleichung. Wie Zschillen der Vorort im Süden und Lastau der im Norden des Landstriches ist, so begrenzt die Chemnitz ihn im Süden und die Wasserführung Albi im Norden. Die Albi ist dem Auebach gleichzusetzen, der zwischen Lastau und Terpitzsch in die Zwickauer Mulde (in occidentalem ripam) fällt. Dieses Wasser quillt im Höllengrund knapp westlich des Flemminger Kreuzes, fällt an der Rinnmühle in den Auebach und wird noch heute von der Quelle bis zur Mündung als Flurgrenze genutzt29. Dieses Ostchutizi, das 981 an das Bistum Meißen gedieh, meint aber die Präzisierung der Oktoberurkunde mit scilicet prope Rochelince gar nicht, sondern das nördlich des Auebaches, zwischen Zwickauer und Freiberger Mude gelegene Gebiet. Man sollte das dahin verstehen, Meißen hatte auch die Christen zu betreuen, die westlich der Freiberger Mulde bis hin zur Zwickauer Mulde dem Gaue Rochlitz prope/benachbart wohnten.

Sieht man die Bodengüte als Leitlinie bäuerlicher Landnahme an, so wurde der Raum um Rochlitz vom Gau Chutizi, vom Westen aus besiedelt und von Merseburg betreut, der Bereich im Zusammenfluss der Mulden aber von Siedlern aus Daleminze beurbart und von der Kirche Meißen geistlich versorgt. So arbeiteten beide Missionen per ambas plagas.

Während in einer unkomplizierten Anfangssituation die Freiberger Mulde von ihrer Quelle, dann die vereinigte Mulde bis zu ihrer Mündung in die Elbe das Meißner Arbeitsgebiet begrenzte, belegt die Textgeschichte der Muldengrenze, wie energisch plötzlich die Erhebung Magdeburgs, Merseburgs und Meißens zu Ortsbistümern betrieben wurde. Der Passus nec-non-ob spricht für eine Niederschrift des Langtextes (Z 187 B) in einem Magdeburger Scriptorium spätestens im Sommer und des Ottonendiploms unbezweifelt am 19. Oktober 968.

Abschnitt E: Die Grenze zwischen Elbe und Oder

Die Rainbeschreibung beginnt wie schon bisher linear: ... usque (Milda) intrat in Albia et sic Albiam sursum ..., vom Einfall der Mulde die Elbe aufwärts. Der Strom wurde 948 zur Südgrenze des Bistums Brandenburg und 968 zum Nordrain Meißens erklärt. Im Abschnitt zwischen der Muldemündung und, was beide Texte nicht ausdrücklich sagen, dem Einfall der Schwarzen Elster, liegt rechts der Elbe Wittenberg. Zur Zeit Luthers gehörte es politisch zu Kursachsen, aber kirchlich zu Brandenburg. Darum wandte er sich 1517 mit seinen 95 Thesen an seinen Diözesan, den Bischof von Brandenburg, Kardinal Albrecht von Hohenzollern.

Auf den linearen Beginn ... et sic Albiam sursum folgt ein Bruch in der Art, die Grenze zu beschreiben, dem man aber auch in anderen Urkunden begegnen kann: ... et ultra provinciam Nizizi ad eundem terminum sine dubio, nec non in altera parte Lusizi et Selpoli et sic usque ad civitatem Zulbize, illam videlicet infra terminum. Et inde in aquam, quae dicitur Odera. Zwischen der Elstermündung in die Elbe und der Oder werden Landschaften/Völkerschaften aneinandergereiht, deren Abgrenzungen voneinander als bekannt vorausgesetzt werden. Die Nizizi saßen zwischen Wittenberg und Torgau. Weiter im Osten folgten ihnen die Lusizi, die man zwar stets als Lausitzer verstanden hat, über deren Zugehörigkeit zum Bistum Meißen aber viel hin und her gedeutelt worden ist, weil die Stiftungsurkunde für Brandenburg von 948 ebenfalls Lusizi nennt. Hauck meinte, Brandenburg habe beide Lausitzen an Meißen abgetreten (III 133). Holtzmann (1934) mutmaßte, man habe die Landschaft Meißen überstellt, weil Brandenburg sich ihrer nie angenommen habe (I 298). Schlesinger (1962) vermutete eine Neuorganisation, durch die die Lusizi 971 an das näher gelegene Meißen kamen (I 41). Lehmann schreibt (1974): „Lusica war ursprünglich (948), als dieses Gebiet noch gar nicht befriedet war, dem Bistum Brandenburg überlassen worden, blieb aber nun (971), wenn auch nicht unangefochten und in seinem Umfang schwankend, fortan in der kirchlichen Obhut Meißens“. Die Historiker schienen somit in Sachen Lusizi/Lusiza einen Gemeinplatz gefunden zu haben30.

Unbeachtet geblieben ist bisher, dass im Diplom für Brandenburg 948 von Lusizi, in den Meißner Texten aber von altera parte Lusizi die Rede ist. Danach wären Brandenburg die `einen` und Meißen die `anderen` Lausitzer zugewiesen worden. Das ist kein Anlass zum Wundern. Solche Namendopplungen gibt es in Menge. Zu Havelberg (946) gehörten Desseri und Zemzizi, zu Brandenburg (948) Dassia und Zamcizi. Die einen Neletizi saßen bei Halle, die altera regio Neletizi lag um Wurzen und Kleinneletizi bei Torgau. Zitizi gab es um Calbe, bei Zörbig und bei Dommitzsch/Elbe31. Und – die Lusizi der Kirche zu Meißen siedelten im Spreewald, dagegen die `Sumpfbewohner` Brandenburgs in den Niederungen um Friesack und im Ländchen Bellin. Diese Lage ergibt sich aus der geographisch geordneten Aufzählung der Landschaften in der Brandenburger Errichtungsurkunde: Vuucri (Prenzlau), Riacani (Templin), Zamzizi (Ruppin), Dassia (untere Dosse) und Lusizi zwischen Rhin und Havelländischem Luch.

Östlich der `anderen Lausitz`/Niederlausitz saßen die Selpoli. Als ihre Wohnplätze sind die durch slawische Funde ausgezeichneten Siedelinseln um Beeskow und Storkow32 anzusprechen. Die Spree bei Fürstenwalde im Norden33 und die Höhen bei Lieberose im Süden dürften den Bereich begrenzt haben. Da später der Raum um Zossen erweislich dem Bistum Meißen unterstand, wäre zu erwägen, ob auch das alte Chozimi (=Zossen) zu Selpoli zu rechnen ist.

Civitas Zulbiza - Als Kötzschke und Kretzschmar ihre „Sächsische Geschichte“ schrieben, hatten sie nur das heutige Sachsen vor Augen34, das Land zwischen Leipzig und Zittau, Strehla und Bad Brambach. Auf seinen „Kursächsischen Streifzügen“ überschritt E. O. Schmidt zwar die Grenzen von 1815, kam aber auch nur bis zum Schwielochsee35. Soweit überhaupt die sächsische Geschichtsschreibung von den hier behandelten Texten Kenntnis nahm, überging sie das Zulpiza-Problem mit nichts­sagenden Worten. Nach Posse36 erstreckte sich die Grenze „bis zur Stadt Sulpice (Zülpich ?)“ und folgte dann der Oder stromauf. Nach Schlesinger lässt sich die Burg Zulbiza nicht lokalisieren37. Fritze sucht Zulbiza in Schlepzig nördlich Lübben38.

Civitas kann `Stadt` heißen - so Posse, aber auch `Burg` - so Schlesinger, aber auch `Staat`. Der Text sagt, civitas Zulbiza infra eundem terminum - das Gebilde Zulbiza in vollem Umfang seiner Grenzen, was auf Burgbezirk und Staat weist. Will man nun im ängstlichen Schielen auf die - ach so gesicherten - Ergebnisse der Wissenschaft die Spreelinie nicht nach Norden überschreiten, bietet sich für einen Burgbezirk Zulbiza das Land zwischen Schlaube und Oder an, in dem heute Eisenhüttenstadt, das alte Fürstenberg liegt.

Versteht man Zulbiza als Staat und unterstellt ihm die Größe von Daleminze, Milska (Oberlausitz) oder Mähren, findet sich ein solcher Raum nur noch nördlich der Spree. Er wird im Westen begrenzt von der Löcknitz, die in der Buckower Schweiz ebenso wie die Stubberow quillt, die nach Norden zur alten Oder fließt: usque ad civitatem Zulbize, illa videlicet infra terminum et inde in ... Odera. Somit könnte im Oderbruchbereiche westlich Küstrin der Punkt erreicht sein, von dem aus die Meißner Diözesengrenze die Oder hinaufläuft. Denkt man sich Lebus als Zentrum dieser Landschaft, wäre der Ort zugleich der exponierteste Punkt gegen Polen. So ist als Civitas Zulbize eher alles Land beiderseits der Oder zwischen dem heutigen Eisenhüttenstadt, dem alten Fürstenberg, im Süden und Küstrin/Kostrzyn im Norden des Flusses zu verstehen, und dieses Gebilde räumlich dem späteren Raum des Bistums Lebus gleichzusetzen, so dass der alte Meißner Rain diesen Komplex auch im Osten der Oder zu umlaufen hätte: infra terminum39. Für diesen empirisch gefundenen Raum existieren aber auch urkundliche, obgleich spätere Belege.

Wie in vielen Häusern pflegten auch die Piasten das väterliche Erbe zu teilen. Großvater Boleslaw I. (†1201) regierte noch über ganz Schlesien, Vater Heinrich II. (†1241) nur noch über Niederschlesien, die Söhne hatten lediglich Teilherzogtümer, was zu Spannungen und Streit führte. So verbündete sich Boleslaw II. von Liegnitz (1224-1278) mit Erzbischof Wilbrand von Magdeburg (1235-1254) und sein Bruder Heinrich III. (1229-1266) mit Markgraf Heinrich von Meißen (1221-1288). Beide Brüder wollten ihre Partner mit Land belohnen. Der eine schloss sein Abkommen in Liegnitz, der Breslauer in Meißen, beide am 20. April 124940. Im Liegnitzer Protokoll wird daher der Rain des Landes Lebus beschrieben. Es beginnt mit der Grenze gegen Polen an der Mündung der Nothes/d.: Netze in die Oder41 und folgt ihr laufauf bis zur Wiese Guba zwischen Kriescht/p.: Krzeszyce und Koltschen/p.: Kolczyn, durch die die Rudzianka fließt, an der (p.:)Rudna/d.: Rauden liegt. Die Punkte Rogi und der See Wandrine sind zwischen Rauden und Arensdorf/p.: Stanice(?) zu suchen. Der Text nennt noch Preslice und Molosson/d.: Malkendorf/p.: Malutkow(?) vor (p.:) Pozir­zadlo/d.: Silberberg(?), nahe dem Zusammenfluss von Pleiske/p.: Pliszka und p.: Lagowa - `wo die Schuga Pilscha in die Große Pilsche fließt`. Der Pleiska folgt die Grenze nun weit nach Westen, um dann östlich der Linie Sirze/d.: Sierzig/p.: Sadow - Ziebingen/p.: Cybinca -Balkow/p.: Bialkow - Rampitz/p.: Rapize schließlich bei Schiedlo das Oderknie zu erreichen.

Hier quert der Lebuser Rain die Oder und führte auf dem westlichen Ufer über Konothope und altiorem crebule, einen See auf die Straße Gubyn(Guben) - Lypa(Lindow) etwa bei Reicherskreuz. An ihr lag Powodeic`s. Hier wandte sich die Grenze nach Norden und erreichte zwischen Corasno und Splawe(Schlaube) die Osdra(Ölsa), an der entlang der Rain im Westen die Spree erreichte. Von der Ölsamündung bei Beeskow hält nun dieser Fluss die Grenze, die erst nach Norden, ab Neubrück nach Nordwesten und ab Fürstenwalde in Windungen nach Westen bis Prelauki führte42. Dieser Punkt könnte bei Hangelsberge gelegen haben, wo sich Spree und Lecnici(Löcknitz) im ehedem sumpfigen Terrain auf drei Kilometer näherten. Weiter sind es die Wasserführungen der Löcknitz, Kopnuci und Stobraua(Stobberow), die zur Odriza (Alte Oder) die Grenze hielten. Damit aber nennt der Lebuser Text die gleichen Zeichen, mit denen wir schon eingangs die Meißner Grenze meinten markieren zu sollen43.

Am Ende der Auseinandersetzungen der herzoglichen Brüder fiel etwa 1252/53 Schiedlo an Markgraf Heinrich von Meißen, der auch das Land zwischen der Oder im Osten, einer Linie im Zuge des heutigen Oder-Spree-Kanals im Norden, der Spree im Westen und der Linie Konothope - Powodeicers im Süden seiner Lausitzer Mark hinzuschlagen konnte. Hier gründete er 1268 das Zisterzienserkloster Neuzelle, dem er Land im Umkreise von einer Meile einstiftete, das die Mönche urbar machten und dadurch völlig umgestalteten. Mit den Mönchen kamen Siedler, die mit den Dörfern auch die Städte Friedland und Fürstenberg anlegten, die alle vom Bistum Meißen versorgt wurden. Lediglich in schon bestehenden Orten im Schlaubetal behielt das Bistum Lebus die Kirchenhoheit44.

Die Lebuser Grenze von 1249 wurde nicht nur darum ausführlicher behandelt, weil sie dem blassen ad civitatem Zulbize infra terminum Konturen zu geben vermochte, sondern auch, weil sie die Aussage der Meißner Circumscription stützt, die dem Gemeinplatz widerspricht, als habe es hier im Lebuser Oderraum erst durch die Errichtung eines Posener Suffragans um 1123 organisiertes kirchliches Leben gegeben. Die civitas Zulbize wurde schon um 968/995 vom Bistum Meißen geistlich betreut45.

Abschnitt F : Die Oder als Grenze zwischen Zulbize und ihrer Quelle

... ad civitatem Zulbiza infra eundem terminum. Et inde in aquam quae dicitur Odera et sic Odera sursum usque ad caput eius - Vom Oderknie bei Schidlo, wo die Grenze Zulbizas die Oder quert, bildet sie bis zu ihrer Quelle die Grenze des Meißner Jurisdiktionsbezirks - vorüber an Krossen, Neusalz, Beuthen, Glogau, Steinau, Breslau, Brieg, Oppeln, Cosel, Radibor, Mährisch-Ostrau, am Einfall der Oppa vorbei zur Quelle der Luha, in der die im Texte gemeinte Oderquelle zu sehen ist46. Die Aussage ist klar, verwunderlich aber, dass sie erst in jüngster Zeit in der Literatur diskutiert wird. Da alle Texte der Meißner Umschreibung als Fälschungen galten, haben deutsche, tschechische und polnische Historiker aller Schattierungen eine Odergrenze für Meißen abgelehnt. Daran änderte auch das Urteil Th. v. Sickels von 1893 nichts, der bei der Edition des DO III 186 von 995 dieses für echt erklärte, was den Circumscriptionstext einschloss. Das aber nahm ihm Schlesinger noch im Jahre 1955 nicht glatt ab. Für ihn unterstand Schlesien links der Oder vor 990 dem Bistum Prag. Wenn überhaupt, habe Meißen es nur wenige Jahre besessen, de facto aber nie in Besitz genommen47. 1963 meinte Malezcynski, wenn, dann könne die Oder erst unterhalb der Bobermündung ein Grenzstück Meißens gewesen sein48.

Wie wenig sich aus den alten Chroniken über die Frühgeschichte Meißens, Böhmens und Schlesiens erschließen lässt, lehrt ein Blick in die Geschichtsatlanten. Die eine Karte sagt, Schlesien bis zu Neiße und Bober habe samt Lebus und Pommern im 10. Jahrhundert zu Polen gehört, die andere begrenzt Polen im Norden mit Wartha und Netze, rechnet ihm aber Lebus noch zu und lässt Pommern und Schlesien erst später an Polen fallen. Eine dritte umraint „Polen um 990“ nach dem Text des Dagome judex49. Über ihn hat vornehmlich die polnische Literatur oft gehandelt. Hier interessiert er, weil auch er die Oder als Grenze präsentiert. Ex tomis Lateranensis bibliotheca der Zeit Papst Johannes XV. (985-996) nahm ihn Kardinal Deusdedit (um 1090) in das dritte Buch seiner Collectio canonum auf, wenn auch nur in der Form eines Regestes50. Danach übereignete der polnische Fürst Dagome (Miesko I., 966-992) im Einvernehmen mit seiner zweiten Frau Oda (Heirat um 980) und den Söhnen dieser Verbindung, Misiko und Lambertus, dem Heiligen Stuhl die Civitas Schinesne cum omnibus suis pertinentiis, alles von Dagome beherrschte Land.

... incipit a primo latere (1) longum mare, fine (2) Pruzze usque in locum, qui dicitur (3) Russe et fine Russe extendente usque in (4) Craccoa et ab ipsa Craccoa usque ad flumen (5) Oddere, recte in locum, qui dicitur (6) Alemure et ab ipsa Alemure usque in (7) terram Milze et a fine Milze recte intra (8) Oddere et exinde ducente (9) iuxta flumen Oddere usque in predictum (10) civitatem Schinesne - Frei und kommentierend wiedergegeben sagt der lateinische Text, der Staat Gnesen grenzt im Norden an ein Stück der (1) Ostsee, raine mit dem Lande der (2) Preußen, habe eine lange Grenze mit der alten (3) Ruß und besitze das Land (4) Krakau, dessen Grenzen als bekannt vorausgesetzt werden. Von dort, wo der Krakauer Rain die Oder (5) erreicht, bildete der Fluss auf seinem Weg durch Ober- und Mittelschlesien die Grenze51. Dann verlangt der Text, die Landschaft Alemure (6) zu umlaufen. Dieser nur hier begegnende Begriff wird als Synonym für das öfter zu belegende Diadesa52 verstanden, was in Niederschlesien zu suchen ist. Als seine Grenzen könnten im Osten die Katzbach, im Süden das Riesengebirge und im Westen Bober und Queis angesehen werden. Thietmar von Merseburg53 berichtet zum Jahre 1000, auf dem Wege nach Gnesen habe Kaiser Otto III. Regensburg, Zeitz und Meißen berührt, das Land Milska durcheilt und in Eula (Ilua) am Bober den Gau Diadesa (Diedesisi) erreicht, wo ihn Polens Herzog Boleslaw empfangen und zum Grabe des heiligen Adalbert weitergeleitet habe (IV 45). Unter Heinrich II. sei das Verhältnis des Reiches zu Polen gespannt gewesen. 1010 habe man gegen den östlichen Nachbarn einen Heerzug geplant, aber nur eine kleine Abteilung entsandt, Cilensi et Diedesi zu brandschatzen (VI 57). Im Jahre 1015 endete ein Feldzug mit einer deutschen Niederlage im Gau Diadesa (VII 20). In den Dezennien um das Jahr 1000 dürfte das Viereck als Reichslehn in polnischer Hand gewesen sein. 971 aber unterstand Diadesa noch der direkten Botmäßigkeit des Reiches und kirchlich dem Bistum Meißen. Zu dessen Gunsten verfügte Kaiser Otto I., die Provinzen Nisan, Daleminze, Lusiza, Milska und Diadesa hätten den Zehntanteil, den bisher ein Graf innehatte, nunmehr dem Meißner Stuhle zu entrichten54.

Erfreulicherweise wissen die Archäologen über Niederlausitz, Oberlausitz und den Raum um Sprottau, Bunzlau und Glogau für noch frühere Jahre etwas zu sagen. Nach ihren Ausgrabungsbefunden gehören die Dasosanen zur gleichen Kulturgruppe wie die Selpoli, Lusizi und Milzeni: zur Tornow-Gostyn-Gruppe. Der eine der namengebenden Fundorte liegt im Kreis Calau der Niederlausitz: Tornow, der andere in Polen: Gostyn, ostwärts Glogau (70 km) und Lissa (30 km)55. Kultureinheit legt auch nahe, an Kult-, Sprach- und politische Gemeinschaft zu denken, wie sie sich bei den Stämmen der Obodriten, Wilzen oder Liutizen findet. Beim Einsetzen historischer Nachrichten, zu denen die hier behandelten Texte gehören, hatten sich Piasten und Ottonen in diesen Bereich geteilt. In welcher Form das Reich Schlesien links der Oder verwaltete, kann nur vermutet werden.

Am ehesten könnte der Raum zwischen der Krakauer Grenze und der Katzbach dem Hause Slawnik verlehnt gewesen sein56. In dieses Bild passt die Nachricht Thietmars über den Ortsnamen Nimptsch: Nemzi, eo quod a nostris olim sit condida - weil diese Urbs an der Großen Lohe von den Unsrigen angelegt worden war57. Piasten und Przemysliden trafen erst nach der Liquidierung des Hauses Slawnik aufeinander, als sie sich um das Erbe stritten. Im Ausgleich rückte nach 995 die Grenze Schlesiens von der Oder hinauf ins Gebirge.

Dem Raum Alemure war im Westen die (7) Terra Milze benachbart. Das, was sich von ihr bis in die jüngere Geschichte herübergerettet hat, ist die Oberlausitz in den Grenzen von 1815. Ihr älterer Umfang ist noch in der Meißner Bistumsmatrikel von 1495 zu fassen, die auch die Erzpriestersprengel Bischofswerda, Stolpen, Hohnstein in der Sächsischen Schweiz und Sorau im Archidiakonat Lusacia Superior hinzuzählt58. Zwischen 1200 und 1250 bemächtigte sich das Bistum Prag des Landes um Zittau59. Um diese Zeit war im Gebirge die Grenze zwischen Bober und Queis strittig60. Darum wird der Text ... usque in terra Milze et a fine Milze recte intra Oddere dahin verstanden, als scheide der Bober Alemure und Milze. An der Bobermündung querte der Dagome-Judex-Rain die Oder: intra (8) Oddere.

Mit dem Wechsel auf das rechte Oderufer erreichte der Rain den Raum Krossen und führte exinde ducente (9) iuxta flumen Oddere61 usque in (10) civitatem Schinesne. Wie mans auch dreht und wendet, iuxta heißt `nahe, nahebei, neben`. Im Blick auf die Oder, die von Krossen 25 km nach Westen fließt, bei Schiedlo die Neiße aufnimmt und ihren Lauf in deren Nordrichtung fortsetzt, könnte man iuxta mit `parallel zur Oder` zwischen Schiedlo und Küstrin verstehen. Das hieße, der Dagome-Judex-Rain hätte von Krossen parallel zur Oder nach Norden geführt und wäre dabei auf die vom Text nicht näher bestimmte Grenze der Civitas Schinesne gestoßen. Korrespondiert aber der Text mit der Meißner Circumscription, und ist das oben über den Umfang der Civitas Zulbiza Gesagte richtig, hätten die Grenzpunkte von Pozirzadlo bis hin zur Wiese Guba an der Nothes/Warthe die Länder Lebus und Gnesen geschieden. Von hier hätte der Rain Schinesnes das (1) Mare longum zwischen Stolpe- und Lebamündung erreicht und das selbständige Pommern von Pommerellen geschieden, das zum Gnesener Machtbereich gehörte. Kurz: Wie die Meißner Texte die Grenzen zwischen der Civitas Zulbiza und der Oderquelle 968 beschreiben, begegnet die gleiche Rainlinie um 990 auch im Dokument Dagome Judex. Diesen Urkunden müsste man einen größeren Aussagewert zubilligen als chronikalischen Überlieferungen, vor allem solchen aus zeitlich größeren Abständen, mit denen bisher argumentiert worden ist.

 1 Willi Rittenbach in: Geschichte der Bischöfe von Meißen 968-1581, Leipzig 1965.

 2 Walter Schlesinger, Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter Band I, Köln-Graz 1962, (=KGS mit Seitenangabe).

 3 Schlesinger, KGS 1, 39f.

 4 Schlesinger, Urkundenstudien; Nachdruck S. 308. (Zitat vollständig ?)

 5 Schlesinger, Urkundenstudien (Zitat vollständig ?) (Beumann S. 323): Das Diplom hat als echt zu gelten; sein Inhalt ist in den allgemeinen historischen Zusammenhang hineinzu­stellen (Schlesinger S. 332): Wenn DO III 186 echt ist, so bedeutet dies, dass 995 beab­sichtigt war, den Sprengel Meißens auf Kosten Magdeburgs zu erweitern. (S. 369): Da um diese Zeit eine kirchliche Umordnung im Osten beabsichtigt war (wäre an die Zuweisung Posens an Erzmagdeburg als Entschädigung zu denken). Kurz: DO III 186 echt, aber Eintagsfliege.

 6 Aus der Sicht der alten Hydrographie kann der heutige Quellort der Oder im Odergebirge nicht der der Meißner Urkunde sein. Möglicherweise ist die Quelle der Luha östlich d.*: Mährisch Weißkirchen/c.*: Hranice gemeint, deren Oberlauf zugleich auch Flurgrenze ist und geradewegs (!) in die Oder fällt.
* Bei Namengleichungen im Text bedeutet
c.: tschechisch, d.: deutsch, p.: polnisch.

 7 Schlesinger, Urkundenstudien S. 308: Von der Oderquelle ist die Luftlinie (!) zur Elbquelle ... S. 309 Zur These, die Albiaquelle sei im Ursprung der Stillen Adler zu sehen: ... doch gibt es hierfür u. W. keine Anhaltspunkte.

 8 Benutzt wurden alte Wanderkarten für das Gesenke. Karten für das Odergebirge standen nicht zur Verfügung.

 9 Magister Adam von Bremen II 22. (Zitat vollständig ?)

10 Regesta diplomatica nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae, Prag 1855-1892.

11 Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae (CDSR) Teil I. Dort in der Einleitung. Diese existiert auch als selbständiger Titel: Otto Posse, Die Markgrafen zu Meißen ..., Leipzig 1881, Seite 313.

12 Monumenta Germaniae Historica. Diplomata. Band 2, 1893. Dort DO III 186.

13 Codex Diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae, herausgegeben von G. Friedrich, Band 1, Prag 1905.

14 Eingeschlossen sind auch die Vorgängerinnen: Budec und Levy Hradec.

15 R. Turek: Die frühmittelalterlichen Stämmegebiete in Böhmen, Praha 1957, (Seitenangaben in Klammern).

16 Sagost heißt Gebiet `hinter dem Walde`. Dieser Bereich liegt aber nicht in Böhmen, sondern in der Oberlausitz und meint den Zittauer Kessel mit dem Queis

17 Cosmas von Prag, Chronik von Böhmen, in: Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, Band 652 . Zitiert nach Buch und Kapitel.

18 E. Eichler, Studien zur Frühgeschichte slawischer Mundarten zwischen Saale und Neiße, Berlin 1965. - Seite 26 über die Südgrenze des Sorbischen: Die Abbildung (Seite 27) zeigt deutlich die Ausbreitung der ehemals obersorbischen (Orts-)Namen in der Gegend von Tetschen, von hier am Polzenbach bis in die Reichenberger Umgebung, wo die Neiße das Böhmische Gebiet verlässt, weiter östlich bis ins Friedländische Gebiet ... Auch an der Biela und in der Gegend von Kaaden-Saaz ist vielleicht sorbisches Sprachgut vorhanden gewesen.

19 Widukind von Corvey, Sächsische Geschichte, in: Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, Band 332 . Zitiert nach Buch und Kapitel.

20 Thietmar von Merseburg, Chronik, Freiherr-von-Stein-Gedächtnis-Ausgabe, Band IX, Berlin 1966. Zitiert nach Buch und Kapitel.

21 Geschichte der deutschen Länder, Band I: Die Territorien bis zum Ende des alten Reiches, herausgegeben von G. Sante, Würzburg 1964. - Abschnitt über Bayern, speziell S. 325-327.

22 Turek wie Anm. 15, Karte 4: Die mittelalterliche Kirchenorganisation Böhmens. - Der Lauf der (Stillen) Adler und der Elbe bildet fast durchgängig die Grenze zwischen den Archidia­konaten und Dekanaten. Dazu das Kapitel: Das Verhältnis der Stämmegebiete zur kirch­lichen Organisation des Mittelalters (S. 61-67).

23 DO I 231, DO II 271, Thietmar, Chronik III 16.

24 Thietmar, Chronik, VII 52.

25 UBEM I Nr. 243, auch in CDSR II 1, Nr. 46. - Aqua Circuisinci wurde in letzter Zeit oft mit dem Schmerzbach gleichgesetzt, der beim Orte Schmerz in der Dübener Heide entspringt und unterhalb Raguhn von rechts in die Mulde fällt. Man könnte Circuisinci aber auch als Latinismus verstehen, der die Eigenart eines Flußlaufes wiedergeben soll. Möglicherweise aus circum und sinus gebildet, könnte es das Wasser mit dem gebogenen Lauf und damit die Fuhne meinen, die von links in die Mulde mündet.

26 Mit den Burgwarden Döbeln und Hwoznie beschenkte Otto II. 981 das Kloster Memleben an der Unstrut - DO II 195. Siehe J. Huth, Zur Bedingtheit kirchlicher Strukturen des Mit­telalters in Sachsen, in: Herbergen der Christenheit 10 (1975/76) S. 19f.

27 Posse wie Anm. 11, Seite 313 Anm. 7, vgl. S. 348. - Schlesinger misstraut Thietmar von Merseburg insbesondere wegen Ostchutizi (Gutizi orientalis). Nur er und keine andere Quelle spreche von dieser Landschaft. Indem er sie mit der Elbe (!) begrenze, habe er Hir­tenrechte über eine Gegend verlangt, die niemals zu Merseburg gehört habe. Der Wunsch als Vater des Gedankens habe ihn zu dieser Konstruktion verleitet. Als Bischof des verklei­nert wiedererrichteten Bistums Merseburg habe er immerzu überspannte Rück­gabefor­de­rungen gestellt. - Nach KGS I 42, 82, 301.

28 Thietmar, Chronik III 16: ... Wolcoldo autem Misnensis aecclesiae antistiti pars illa couceditur cum adpertinentibus villis Wissepuig et Lostatawa, quae ad Gutizi orientalem pertinet ac fluviis Albique distinguitur. - Dazu Schlesinger KGS I 301: Nur Thietmar spricht von einem östlichen Chutizi, alle anderen Quellen sagen nur Chutizi, auch wenn Orte östlich der (Zwickauer) Mulde in Rede stehen. So liegt der Verdacht nahe, dass Thiet­mar sich sehr wohl bewusst war, die Landschaft viel zu weit nach Osten auszudehnen, wenn er sagte quae ... fluviis Caminici Albique distinguitur, und dass er deshalb ein Chutizi orientalis konstruiert. Es ist wohl möglich, dass Thietmar die Zwickauer Mulde als Cami­nici bezeichnete, da er fälschlich die Chemnitz als den Quellfluss ansah. Dass er aber die Zschopau mit der Elbe verwechselt habe, wie Holtzmann will, halte ich für ausgeschlos­sen, da er doch die Elbe aus eigenen Anschauungen gut genug kannte.

29 Flurgrenzen etwa in: Parochialkarte der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens (Druck vor 1918). (Zitat vollständig ?)

30 Hauck KGD III 133; Holtzmann nach Schlesinger KGS I 298; Schlesinger in KGS I 41; Ru­dolf Lehmann, Untersuchungen zur Geschichte der kirchl. Organisation und Verwal­tung der Lausitz im Mittelalter, Berlin (West) 1974¹, zitiert nach Nachdruck 1986² Leipzig S. 1.

31 DO I 76, DO I 105, DO I 231, DO II 30. - Vgl. J. Huth, Ein Wort zur Echtheit der Stiftungs­urkunde für das Bistum Havelberg vom 9. Mai 946, in: Herbergen der Christenheit XV (1985/86) Anm. 74 zu Seite 20. J. Huth, Die Echtheit der Havelberger Stiftungsurkunde vom 9. Mai 946, in Jb. f. Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 58 (1991), 9 - 38.

32 Wie Sorau, Beeskow, Storkow und Dahme war auch Zossen lange Zeit ein politisch selbständiges Gebilde.

33 Vgl. unten Abschnitt F.

34 R. Kötzschke - H. Kretzschmar, Sächsische Geschichte, Dresden ¹1935, 2 Bände; Frankfurt/M. ²1965, 1. Band.

35 E. O. Schmidt, Kursächsische Streifzüge, 7 Bände zwischen 1900 und 1930. Hier Band III, Dresden 1926. Dort die Aufsätze über Schiedlo, S. 239-263, und Vom Schwielochsee zur Schwarzen Elster, S. 229-238.

36 O. Posse, Die Markgrafen von Meißen ..., Leipzig 1881. Seite 350. Dazu im Register unter Zülpich.

37 Schlesinger, Urkundstudien, (1955 S. 135)(1961 S. 309).

38 Schlesinger Urkundstudien, Druck 1961, Nachtrag zu Seite 309 auf Seite 487: Für Zulbiza schlägt W. Fritze brieflich Schlepzig nördlich Lübben vor, weist aber darauf hin, dass diese Identifikation nicht ohne sprachliche Bedenken ist.

39 Lexikon Städte und Wappen der DDR, Leipzig 2. erw.1985. Dort zu Lebus: Das slawisch besiedelte Land Lebus beiderseits der Oder war vom 10. bis 13. Jahrhundert Streitobjekt aller umliegenden Feudalgewalten der polnischen, schlesischen und pommerischen Her­zöge, der deutschen Könige, der Erzbischöfe von Magdeburg und der im 12. Jahrhun­dert mächtig werdenden meißnischen und brandenburgischen Territorialfürsten. - Die Slawen in Deutschland, ein Handbuch, Berlin, Neubearbeitung 1985. Seite 9: An der mittleren Oder werden am Ende des 11. Jahrhundert die Lebuser (Leubuzzi) genannt. Jedoch han­delt es sich bei diesen kaum um einen selbständigen Stamm, sondern eher um die Bezeich­nung für die Bewohner des am Ende des 10. Jahrhunderts gebildeten polnischen Landes Lebus. In dieses wurden größere Teile des ehemaligen Stammes Selpoli sowie weitere Siedlungsgefilde an der mittleren Oder einbezogen (J. Herrmann). - Seite 347: Spätestens nach dem Lutizenaufstand von 983 wurde das polnische Land Lebus gebildet, das eine Reihe älterer Kleinstammgebiete und Siedlungsgefilde beiderseits der Oder, etwa zwi­schen Neißemündung und Finowtal, zusammenschloss (S. Epperlein). - im ganzen Hand­buch erscheint kein einziger Hinweis auf den Begriff Civitas Sulbiza !

40 Originalurkunde Staatsarchiv Dresden Nr. 471 vom 20. April 1249: Herzog Heinrich III. von Breslau gelobt, dem Markgrafen Heinrich von Meißen das Land Crossen oder Land zwischen Queis und Bober bis zum böhmischen Gebirge abzutreten für Hilfe, das Gebiet seines Bruders Boleslaw II. von Liegnitz einzunehmen. Außerdem soll der Herzog dem Markgrafen die Burg Schiedlo im Oderknie übergeben. Drucke des Textes: Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven Band 7 Teil 1 (1881); UBNL., Bd.1, Nr. 2 (?); CDLus.Sup. I2 . Anhang Meißen Nr. 50 (1856) (?). - Regesten in: R. Lehmann, Urkunden­inventar zur Geschichte der Niederlausitz bis 1400 (1968) Nr. 96; Dobenecker, Band 3, Nr. 1699 (?) - Der Vertrag zwischen Herzog Boleslaw II. von Liegnitz mit Erzbischof Wilbrand von Magdeburg ist als Kopie erhalten im Staatsarchiv Magdeburg im Copiar IVa, f. 111ff.. Druck bei Riedel, CD Brandenburgensis A XXIV S. 336ff. Benutzt wurde das Regest bei G. A. v. Mülverstedt, Regesta archiepiscopatus Magdeburgensis, Band 2 (981), Regest 1255.

41 Heute lässt man die lange und wasserreiche Warthe/p.: Warta bei Küstrin in die Oder mün­den. 1249 sah man das noch anders. Für die Alten entschied, dass die Netze/p.: Notec nach dem Einfall der Warthe weiterhin laufbestimmend und daher für sie die Wasserfüh­rung war, die in die Oder mündete. - Vgl. das oben über die Elb- und Oderquellen gesagte in Anm. 6.

42 Im Laufe der Spree zwischen Beeskow und Prelauki ist die Ost- und Nordgrenze des Ge­bietes Selpoli zu sehen, dem der Text von 968/995 die Konturen gab.

43 In diesen Grenzen liegen alle Kirchen, die das Registrum ecclesie Lubucensis dyocesis von 1405 nennt, links der Oder zusammengefasst in den Sedes Selivense (Frankfurt), Falken­hagen, Müncheberg und Seelow, rechts des Flusses in denen von Drossen/p.: Osna, Zielenzig/p.: Sulecin und Reppen/p.: Rzepin. Lediglich die Sedes Küstrin/p.: Kostrzyn lag außerhalb. Herbert Ludat, Das Lebuser Stiftsregister von 1405, Wiesbaden, 1963.

44 Im Schlaubetal gehörten nach dem Lebuser Stiftsregister von 1405 die Kirchspiele Müll­rose, Grunow und Merz zur Sedes Selivense (Raum Frankfurt). Ansonsten aber waren die Kirchen im ehedem Lebuser Land meißnisch: im Westen der Schlaube: Krügersdorf, Reud­nitz, Friedland, Niewisch, im Süden Großmuckrow, im Osten Fürstenberg, Fünfeichen, Möbiskruge, Wellmitz, Bomsdorf und Göhlen. Vgl Ludat, wie Anm. 43; Walther Haupt, Die Meißner Bistumsmatrikel von 1495, Dresden 1968, in: Quellen und Forschungen zur Säch­sischen Geschichte, Band IV.

45 Für die Deutung des Lebuser Rains wurden widersprüchliche polnische und hiesige Karten verwandt. Die Beschreibung will lediglich Skizze, Verstehenshilfe sein. Sehr allgemein: Heinz Teichmann, Von Lebus nach Fürstenwalde, Benno-Verlag, Leipzig, 1991.

46 siehe Anm. 6.

47 Schlesinger, Urkundenstudien, Seite 158 im Erstdruck, Seite 328 im Nachdruck.

48 K. Maleczynski, Die Politik Ottos III. gegenüber Polen und Böhmen im Lichte der Meißner Bistumsurkunden vom Jahre 995, in: Letopis B 10 (1963), 162-203, Bautzen. Anm. 215.

49 Etwa: Atlas zur Geschichte, Band 1, Gotha 1973. Dort die Seiten 23, 24 II, 25.

50 Text übernommen aus der Arbeit von B. Stasiewski, Untersuchungen über drei Quellen zur ältesten Geschichte und Kirchengeschichte Polens, in: Breslauer Studien zur historischen Theologie 24 (1933), Breslau. Seite 38.

51 Wie schon Elbe und Mulde ist auch die Oder als Lineargrenze zu verstehen. Es ist nicht die Absicht dieser Zeilen, sich mit der Literatur kritisch auseinanderzusetzen, die diese Linie je nach Bedarf zu einem Saum beliebiger Breite verflüchtigt.

52 Maleczynski (wie Anm. 48, Seite 197) ignoriert die Oder und versteht unter Alemure Mähren. - Stasiewski (wie Anm. 48) bringt es mit einem Nebenfluss der Oppa zusammen, der Mohra. - Die Gleichsetzung von Alemura mit Diadesa wird gewagt, weil auch sonst genug Landschaften unter verschiedenen Namen begegnen: etwa Glomazi = Daleminze; Stodor = Heveldun.

53 Thietmar, Chronik, zitiert nach Buch und Kapiteln.

54 DO I 406 (971).

55 Die Slawen in Deutschland, ein Handbuch. Seite 30.

56 Hatten nach 971 die Piasten Diadesa vom Reiche zum Lehen, so dürften die Slawniken zwischen Katzbach und der Krakauer Grenze im linksodrigen Schlesien die Lehnsträger der Ottonen gewesen sein, deren Macht im Süden bis an die Elbe reichte, die damals Böh­men teilte. Bei ihrem gespannten Verhältnis zu den Prager Herzögen schlossen sie sich an ihre Lehnsherren, die Ottonen, und ihre Nachbarn jenseits der Oder an, die Piasten. Als Vater Slawnik 981 starb, traten die Söhne an seine Stelle. Der bekannteste war Wojtech, der zehn Jahre die Klosterschule in Magdeburg besuchte und in der Firmung den Namen seines Lehrers, des Erzbischofs Adalbert erhielt. Als man den Slawniken zum Bischof im Prag der Przemysliden einsetzte, die mit Ztrahquaz einen eigenen Prätendenten hatten, trat der innerböhmische Zwist kirchlich, und später im Massaker von Lidice politisch zu Tage. Adalbert entging dem Morden, weil er zuvor nach Rom geflohen war, und seine Brüder Sobeslaw und Radim sich bei den Piasten in Polen aufhielten.

57 Niemze sind die, die nicht sprechen können, die Deutschen. Thietmar, Chronik VII 68.

58 Jüngster Druck: Walther Haupt, Die Meißner Bistumsmatrikel von 1495, Dresden 1968. Dort: Lusatia superior S. 23-33.

59 Bis 1793 gehörte das Dekanat Zittau zum Erzbistum Prag.

60 Oberlausitzer Grenzurkunde von 1241: ... inde in riuum Qviz. Ibi distinctio est suspenda propter distinctionem inter Zagost et Poloniam nondum factam. - Text etwa im Neuen Lausitzischen Magazin 95 (1919), Görlitz.

61 Zu iuxta flumen Oddere ist auch der Verlauf der Ostgrenze des Niedersorbischen zu vergleichen: von der Pleiskemündung bei Aurith/p.: Urad zieht diese sich über Sandow/p.: Sadow nach Baudach/p.: Budachow zur Oder bei Radnitz/p.: Radnica. Siehe F. Metsk in: Letopis B 5 (1958), 3-25, Bautzen.