JOACHIM HUTH

Die Homepage von
Joachim Huth

01.11.14

 

Die Bulle Notum esse volumus vom 20. April 967

gedruckt bei Zimmermann als Nr. 177 (Z 177)

Der früheste Hinweis auf Meißen als Ort für einen Bischofssitz steht in der Bulle Notum esse volumus vom 20. April 967. In ihr teilt Papst Johannes XIII. allen Erzbischöfen, Bischöfen und Gläubigen mit, was die zu Ravenna tagende Synode als Antwort auf die Darlegungen Kaiser Ottos I. über die Christianitas in aquilonialibus partibus beschlossen habe: Die Kirche des heiligen Mauritius in Magdeburg zum Sitze eines Erzbischofs zu erheben, ihm die schon zuvor errichteten Bistümer Brandenburg und Havelberg zu unterstellen, und für Merseburg, Zeitz und Meißen Suffragane zu bestimmen.

Das Original dieser Bulle ist verschollen. Vom Texte in den Kopialbüchern des 11. und 15. Jahrhunderts im Staatsarchiv zu Magdeburg sagt Zimmermann: „... an der Echtheit der Urkunde wird nicht gezweifelt“. Der einzige Mangel der Kopie ist, dass von den Bekräftigungen des päpstlichen Erlasses durch die Unterschriften der Synodalteilnehmer nur die des Papstes Johannes XIII., Kaiser Ottos I. und des Patriarchen Rodald von Aquileja kopiert worden sind1. Jedoch ergibt sich ein Bild der Ravennater Kirchenversammlung aus anderen Bullen jener Tage. Im Privileg von Quedlinburg wird summarisch von episcopis Italicis et ultramontanis numero quinquaginta berichtet. Eine Urkunde für Salzburg trägt außer den Unterschriften des Papstes, Ottos I., des Patriarchen von Aquileja und der Erzbischöfe von Ravenna und Mailand noch die von weit über fünfzig Bischöfen. Unter ihnen sind lediglich Landward von Minden und Otger von Speier Ultramontane2. Die Synode tagte beim Beschlusse über Magdeburg und Meißen in St. Severi in Classe in Ravenna.

Was speziell Meißen betrifft, so setzt die Bulle voraus, man habe den Ort als Sitz für einen Bischof geeignet befunden, wohl auch, man habe dort schon Voraussetzungen für dessen Arbeit geschaffen, die etwa denen entsprochen haben könnten, die erweislich 962 in Merseburg schon in Gestalt eines Klosters vorhanden waren3. Gleiches an Gegebenheiten ist auch für Zeitz anzunehmen. Während die Geschichtsschreiber die Aussagen der Bulle über die Errichtung eines Bischofssitzes in Meißen und die Erhebung Magdeburgs zum Erzbistum ohne Widerspruch in ihre Darstellungen aufnahmen, haben sie sich an der Art gestoßen, in der der Papst sich und die Sache darstellte4. Schlesinger erinnert an die Krönungsfeierlichkeiten für Otto I. im Jahre 936 in Aachen. Dort habe Erzbischof Hildibert von Mainz dem König das Reichsschwert übergeben mit den Worten: „Nimm hin dies Schwert, mit dem du alle Widersacher Christi, Heiden und Ketzer, austreiben sollst auf Grund der dir verliehenen göttlichen Vollmacht und auf Grund der ganzen Macht des Reiches der Franken, zur Befestigung des Friedens aller Christen“. Schlesinger verweist auch auf eine der Fürbitten am Karfreitage: „Lasset uns beten für unseren allerchristlichsten Kaiser, dass Gott ihm alle barbarischen Völker untertan mache zu unserem beständigen Frieden“. Die kirchliche Weihe habe dann diesen theokratischen Amtsauftrag besiegelt. Als Gesalbtem des Herrn habe dem König daher die gleiche unzerstörbare Würde geeignet wie dem Priester, und er sei als König Mission zu treiben verpflichtet gewesen (15). Von Anfang an habe er sich um die Ausbreitung des Christenglaubens gemüht, im Norden die Bistümer Schleswig, Ripen und Aarhus, im slawischen Nordosten Oldenburg, Havelberg und Brandenburg errichtet (22). Bei seinem machtpolitischen Ausgriff bis zu Oder und Queis sei es Otto I. nicht nur darum gegangen, heidnische Slawenstämme ins Reich einzubinden, sondern gleicherweise sei ihm an der Glaubenseinheit mit ihnen gelegen gewesen. Mission sei „Sache des Königs selbst“, und damit „Staatsangelegenheit“ gewesen (11). Da die eroberten Slawenländereien als Reichsland galten, waren auch die dort errichteten Kirchen Reichskirchen (242). Aus solcher Sicht schien die Bulle vom 20. April 967 für Schlesinger alles auf den Kopf zu stellen. Nicht Otto I., sondern der Papst hatte Mission getrieben, nicht der Kaiser, sondern der Papst errichtete nun in Magdeburg ein Erzbistum, nicht der Herrscher, wohl aber der Papst setzte den Erzbischof ein (29). Diesen Papst stellt er als antikaiserlich gesinnten Spross der Creszentier vor, der schließlich als Johannes XIII. die Tiara trug (28f). Auf Grund seines Kirchenverständnisses sah Schlesinger nur in der `unsichtbaren` Kirche die wahre Kirche, während die (verfasste) `Kirche` für ihn diesen Namen nicht verdiente - wörtlich: „... sie ist nicht sichtbare Kirche, sondern keine Kirche“ (237)5. Verständlicher wird aber alles, wenn man sich auch die Ideologie des Papsttums vergegenwärtigt, von der die Träger des Petrusamtes erfüllt waren.

Hauck wusste zwar auch um die Mängel der Päpste des dunklen Jahrhunderts und sprach ihnen speziell jedes Verdienst um die Bekehrung der slawischen Völker ab, wusste aber zwischen dem jeweiligen Träger der päpstlichen Würde und dem Papsttum als Institution zu unterscheiden. Es war die zähe Festigkeit der kirchlichen Rechtsverhältnisse, die nach seiner Meinung dieser Institution Autorität und Lebensdauer sicherte, die selbst der unwürdigste Papst nicht imstande war zu vernichten6.

Die Sache ist vielschichtiger. Die ersten Ansätze liegen sehr weit zurück und gründen in der Weltgeltung des alten Rom, in Größe und Reichtum seiner Christengemeinde und im Martyrium der Apostel Petrus und Paulus in dieser Stadt. So galt der Sitz am Tiber schon früh als Hüter apostolischer Tradition und durch das Wirken seiner Bischöfe als Hüter der Rechtsgläubigkeit. Die Entwicklung des monarchischen Episkopates gipfelte zwischen 381 und 451 in der Bildung von Metropolen und Patriarchaten, deren eines Rom war. Als einziges Patriarchat im lateinischen Westen, dazu am Sitze des Imperiums, war es im Vorteil zu den anderen geistlichen Zentren des griechischen Ostens. Nachdem die Kaiser aber Rom verlassen hatten und in Byzanz regierten, verloren Ephesus, Cäsarea und Heracleia ihre Bedeutung an dieses neue Rom. Später lähmte der Arabersturm von 640 auch den Einfluss der Ostpatriarchate von Antiochien, Jerusalem und Alexandrien. Ursprünglich der einzige Metropolit Italiens, erfuhr der von Rom nach dem Weggange der Kaiser eine Einschränkung seiner Weihegewalt durch den Aufstieg der Bischöfe von Mailand und Ravenna zu Metropoliten, als beide Städte zeitweilig kaiserliche Residenzen waren. Von den Langobarden bedroht, unterstellten sie sich aber wieder dem Schutze Roms. Der Patriarch von Aquileja floh vor den Germanen auf die Insel Grado und gestand erst Papst Honorius I. (625-638) das Konsekrationsrecht zu, der ihm seinen Titel beließ. Damit hatte Rom den Primat im „Abendland“ auch real erreicht. Ihm stand nur noch Byzanz gegenüber, dem jedoch die Kaiser innenpolitische Zügel anlegten, wenn auch sie Roms Einfluss im Osten zu unterbinden wussten. Als weiteres Element trat hinzu, als in den Wirren der Völkerwanderung das weströmische Reich zerbrach, dass sich das Nationalgefühl der Römer an die Kirche klammerte, als der einzigen noch verbliebenen Institution des alten Glanzes. So war die Römische Kirche geradezu „das ins Religiöse transponierte Weströmische Reich, ihr Bischof aber der heimliche Weströmische Kaiser“7.

Dieses aus so unterschiedlichen Quellen gespeiste Amtsbewusstsein begegnet uns in der Arenga der Bulle Notum esse volumus. „Inspiriert vom Heiligen Geiste und vermöge der Verdienste des Apostelführers Petrus und des auserwählten Gefäßes Gottes, Paulus, und der tausend mal tausend Märtyrer Roms, dem Haupte der Welt und der universalen Kirche … “ verkündet Johannes XIII. die Erhebung der Kirche des heiligen Mauritius in Magdeburg zum Sitze eines Erzbischofs. Wenige Tage später - und zwar in der gleichen selbstbewussten Sprache - unterstellt er das Stift Quedlinburg, eine Stiftung des ottonischen Hauses, dem Schutze und Schirme des heiligen Petrus, des Apostelführers, und seiner Vikare für ewige Zeiten, „... bevollmächtigt dazu von Gott und unserem Herrn Jesus Christus, der auf Petrus seine Kirche gebaut hat“ (Z 178).

Wie in diesen beiden Urkunden verkünden die Päpste bald mehr, bald weniger ausführlich, wer sie sind: Durch Gottes Gnade (per gratiam Dei) zum Vikar des Apostelfürsten Petrus bestellt, dem Christus des Himmelreiches Schlüssel (claviger regni celestis) und die Vollmacht (potestas) übergeben hat, im Himmel und auf Erden zu binden und zu lösen (celo terraque ligandi et solvendi), weiß sich jeder Papst als Diener der Diener Gottes (servus servorum Dei) und für dieses Amt eigentlich zu unwürdig (indignus) und zu gering (humilis). Aber im Vertrauen auf die ihm von Gott durch die Apostelfürsten Petrus und Paulus gegebene Vollmacht (auctoritas) und dem genauesten Befolgen der Anweisungen der Heiligen Väter bei allen seinen Handlungen (etwa Z 79) vermag er der ihm aufgetragenen Sorge für alle Kirchen des Erdkreises (cura omnium ecclesiarum orbis terrarum) gerecht zu werden. Der Sitz des Papstes ist von den Apostelfürsten selber errichtet worden und daher sedes sacratissima et apostolica. Seine Kirche ist die Mutter (mater) aller Kirchen. Zu ihr (ad limina apostolorum) kommen Boten und Botschaften aus aller Welt.

Und vom summus pontifex et universalis papa gehen Botschaften in alle Winkel des christlichen Abendlandes. So verleiht Johannes XII. dem Erzbischof Dunstan von Canterbury 960 das Pallium (Z 149). Die Päpste ordnen die kirchlichen Verhältnisse auch in Benevent und Capua, die im byzantinischen Süditalien liegen (Z 100, 102, 111). Dem Kroatenkönig Tomislav und dem Serbenfürsten Michael legen sie nahe, die Lehren des Method und Cyrill wie die slawische Liturgie nicht länger zu dulden (Z 55), ermahnen in diesem Zusammenhang den dalmatischen Episkopat, die Metropolitanrechte des Erzbischofs von Split anzuerkennen (Z 54, 56, 60). Im Norden der Adria bedrohen sie Ravenna und die Mark Istrien mit Bann, sollten die politischen Verhältnisse nicht der Ordnung gemäß geklärt werden (Z 30). Die Päpste griffen in die Schismen von Narbonne und Lüttich ein (Z 39, 48f). Papst Johannes X. brachte ein Bündnis mit den Fürsten Süditaliens zustande, um die Sarazenen von Garigliano zu bekämpfen (Z 40). Der Heilige Stuhl kümmerte sich auch um die Anliegen der Bistümer im noch freien Nordspanien (Z 5, 126f). Von ihm ergingen Rechtsbelehrungen (Z 37, 41). Er verfügte Amtseinsetzungen (Z 10ff) und Amtsentsetzungen (Z 152), verlieh Pallien und vermehrte Pallientage (Z 52, 152f). Johannes X. beriet den Erzbischof von Reims in Fragen der Normannenmission (Z 38). Auf die Bestätigungsurkunden kann nicht einmal durch Beispiele eingegangen werden. Sowohl durch ihre große Zahl wie durch ihren Stil unterstreichen auch sie die Bedeutung des Stuhles Petri8.

Der Eindruck von Ansehen und Macht des Papsttums verstärkt sich noch, wenn man außer dem von Zimmermann gebotenen Textmaterial noch die Regestensammlungen berücksichtigt9 und sich vergegenwärtigt, dass man bisher noch lange nicht alles erfasst hat. So berichtet zwar ein Diplom Ottos I., das Mauritiuskloster in Magdeburg stehe im Schutze Roms, aber weder in Originalen noch Kopien von Regesten noch in der Analistik ist sonst von diesem Rechtsakt die Rede10.

Auch im Rahmen einer Geschichte des Bistums Meißen ist Z 177 mehr als nur ein erster Beleg für einen Bischofssitz in Meißen. An dieser Bulle ist vor allem abzulesen, als was das Papsttum jener Tage verstanden werden muss. Wie Z 177 lassen auch andere Urkunden erkennen, dass Rom sich als Missionszentrale verstand11 und z.T. auch selber Mission betrieb12.

 1 Die Kopie des 11. Jahrhunderts bestätigt die Kürzung mit den Worten: et multi alii. sicut in privilegio potest videri, subscripserunt. - Lübke Nr. 142.

 2 Im Folgenden werden alle Papsturkunden mit ihrer Nummer in der Zimmermannschen Edition zitiert - etwa: Z 203 - Belege zur Synode in Ravenna: Z 175 (für Bologna) cum meis et Italicis ... episcopis, Z 178 (für Quedlinburg), Z 179 (für Salzburg).

 3 Z 154: Bulle Quociens ad provectum für Magdeburg vom 12. Februar 962. Dort über Merseburg: ut Merseburgense monasterium (!) ... in episcopalem delegetur sedem.

 4 Etwa Hauck KGD III 239.

 5 Schlesinger KGS I mit Seitenangabe.

 6 Hauck KGD III 204.

 7 Darstellung nach Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte, H.E. Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte I und anderen.

 8 Im Blick auf die hier zu interpretierende Bulle Z 177 wurden die obigen Hinweise nur aus den Jahren vor 967 gewählt. Vollständigkeit wurde nicht angestrebt.

 9 Jaffe-Löwenfeld, Regesta pontificum Romanorum, Leipzig ²1885, ²1888, Böhmer - Zimmermann, Regesta Imperii II 5, Papstregesten 911-1024, 1965.

10 DO I 37 vom 23. April 941, auch UBEM Nr. 5; ... quem et ipsum locum Romano subiecimus mundiburdio.

11 Z 54, 55, 56, 60; 38 - siehe oben.

12 Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte, ⁸1933, Tübingen. Dort $ 46 1: Papst Hadrian II. (867-872) ernannte den Methodius zum Erzbischof von Sirmium. Indem Rom diesen Sitz wiedererrichtete, schob es eine eigene (!) Mission zwischen Salzburg und die Bulgaren. Daß dieses Unternehmen nicht von Dauer war, ändert nichts an der belegbaren Tatsache der Aktion!