JOACHIM HUTH

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Joachim Huth

01.11.14

 

DO I 406 - eine ottonische Doppelurkunde ?

Von Sickel1 räumte nach vielem Wenn und Aber ein, man könne das Pergament wenigstens in einem eingeschränkten Sinne als Originalausfertigung der ottonischen Kanzlei ansehen. Die erste und die beiden Subskriptionszeilen sah er als von WA (=LA)2 geschrieben an, der auch noch das Handmal vorgezeichnet und das Blanquett besiegelt habe, ehe er es Bischof Folkold aushändigte. In dieses habe dann ein nach Schrift und Stil ungeschickter Schreiber einen gebrochenen Text eingesetzt, der sowohl Otto I. wie auch Otto II. als Urkundende handeln ließ. Im Blick auf weitere Unstimmigkeiten bezweifelte von Sickel sogar, Bischof Folkold habe nur das niederschreiben lassen, was „der Willensäußerung des Kaisers“ entsprochen hätte.

Nach den nicht vollständigen Angaben zum Datum wurde das Diplom in Ravenna im 35. Königsjahr Ottos I. ausgefertigt, also zwischen dem 8. August 970 und dem 7. August des Folgejahres. Auf die Intervention seines Sohnes, des Mitkönigs und Mitkaisers3 wie auch seiner Gemahlin Adelheid erinnerte Otto I. daran, der Kirche zu Meißen den einem Grafen zustehenden Zehnt in fünf Provinzen gegeben zu haben, oblivioni admonemus ut non tradatur. Dieser Äußerung des Vaters trat in sonst nicht zu belegender Weise der Sohn bei und erklärte im gleichen Pergament seinerseits das Decret für recht: iussa novimus. Darüber hat man sich sehr zu Unrecht gewundert. Noch zu Lebzeiten seines Vaters selber schon König und Kaiser hat er neben ihm auch schon selber Urkunden ausgestellt, die zumeist ältere Verschreibungen bestätigten4. DO I 406 ist ein Unikum. Es ist der einzige uns bekannte Beleg für eine ottonische Doppelurkunde.

Von Sickel hat das Pergament in die Diplome Ottos I. eingereiht als D 406. Möglicherweise aber handelt es sich gar nicht um eine Urkunde des Vaters, sondern um eine Urkundbestätigung seines Sohnes. Er übernahm zwar den Text aus Vorurkunden, bediente sich aber eines in solchen Fragen wenig versierten Schreibers, dem das „Umschreiben“ nicht recht gelang, diese Unebenheiten aber durch den Satz Haec a pio genitore nostro imperatore … auszugleichen verstand5.

Bisher unbeachtet geblieben ist der mögliche Text einer in D 406 übernommenen Vorurkunde. Er hat sich in der Magdeburger Fassung (B) der Bulle Z 187 erhalten6. Danach müsste zu irgendeiner Zeit ein Graf (Markgraf Gero ?) seinen Dienstzehnt in fünf Regionen Otto I. aufgelassen und dieser ihn Bischof Burkhard von Meißen (†969/970) geschenkt haben - und der Langtext Z 187 B von 968 nennt Burkhard. Als sich nun Bischof Folkold (970-992) nach seines Vorgängers Tod um die Bestätigung der Zehntübereignung mühte, wurde diese auf seinen Namen ausgestellt - D 406 nennt Folkold. Er dürfte der Kanzlei neben dem Blanquett auch das Burkhard-Dokument vorgelegt haben. Der beigegebene Vergleich zeigt, wie bei wortwörtlicher Übernahme der Beschreibung der Zehntbedingungen die Notare dennoch die Ausfertigungen durch ihren eigenen Stil zu prägen vermochten. Etwa B: hoc est tributorum suorum, partes decimas, dagegen in D 406: hoc est tributi pars decima. Diese nicht restlos geglückte Bestätigung zählt heute im Staatsarchiv Dresden als Originalurkunde Nr. 6.

Vergleich der Grafenzehnten zwischen den Aussagen des Magdeburger Langtextes der Bulle Z 187 B (=B) und der Kaiserurkunde DO I 406 (=406)

B     Testantur etiam idem presentes nobilissimi imperatores
406   (Noverint omnes fideles etc.)...........................................

B     quasdam res sui..... iuris ac proprietatis eisdem sancte
406   quasdam res nostri iuris ................................................

B     Misnensi.. ecclesie, cui venerabilis ......................... episco-
406   Misanensi ecclesie, cui venerabilis FOLCHOLDUS episco-

B     pus BORCHARDUS preesse dinoscitur, pro .......................
406   pus ......................... preesse dinoscitur, ob animae nostrae

B     remedio.     animarum suarum in proprium....... dedisse .......
406   remedium .............................. in proprietatem concessimus

B     hoc est tributorum suorum in...... quinque regionibus
40   hoc est tributi pars decima quod quinque provinciis

B     partes.. decimas in Talemence, in Nisanen, in Luzice,
406   hoc est .................. Dalaminza, .... Nisane,..... Diedesa

B     in Milczsane, in Diedesa ...................................................
406   et Milzsane... et Lusiza, quidquid ad nostram imperialem

B     .......................................... ut antea quam
406   utilitatem pertinere videtur, ut antea quam

B     comes earundem regionum … (gleicher Text weiter bis:)
406   comes earundem regionum … (gleicher Text weiter bis:)

B     et ... in omnibus. rebus, que ad fiscus predictorum
406   et ut inquirendis rebus, quod vulgo uberchoufunga

B     imperatorum pertinere videntur.........................
406   vocatur, oblivione admonemus ut non tradatur.

 1 Von Sickel in den Vorbemerkungen zu D 406 in der Diplomataausgabe.

 2 WA ist Schreiber Willigis A, der identisch ist mit LA, dem Schreiber Liudger A.

 3 Otto II. war der Sohn Adelheids, wurde um 956 geboren, am 26. Mai 961 zum König und Weihnachten 967 in Rom zum Kaiser gekrönt. Er regierte erst nach dem Tode seines Vaters am 7. Mai 973 selbständig.

 4 Etwa DO II 12 vom 1. Januar 967; D 18 vom 3. Oktober 968.

 5 DO II 12 ist eine Urkundbestätigung, „welche gedankenlos verschiedene Wendungen aus der Vorurkunde Ottos I. übernommen hat, so dass auf deren Inhalt sowie auf die Zeit ihrer Ausfertigung Schlüsse aus der späteren Urkunde gezogen werden können“, Israel/Möllenberg zur Urkunde in UBEM Nr. 11 und 51.

 6 Vgl. oben im Langtext der Bulle Z 187 Seite ...