JOACHIM HUTH

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Joachim Huth

01.11.14

 

Teil B: Wie die Sprengel Magdeburg, Merseburg und Meißen entstanden

Halberstadt, Magdeburg und Merseburg

Noch Quiters „Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte der Kirchenprovinz Magdeburg“ gingen von dem Gemeinplatz aus, gemessen an der ausdauernden und systematisch betriebenen Mission Hamburgs im Norden und der energischen Arbeit der Bistümer Passau und Salzburg im Südosten spräche nichts für ein gleiches planmäßiges Vorgehen in den transelbischen Wendenländern1. Die „Hamburger Fälschungen“ wissen es jedoch anders. In der wenig zu beanstandenden Bulle vom 08. November 989 verbriefte Johannes XV. Erzbischof Liäwizo I. (988 - 1013) das Recht, unter den Stämmen Schwedens und Dänemarks wie auch in illis partibus Sclavorum, que sunt a flumine Pene usque ad fluvium Egidre zu arbeiten2. Die gleiche Formel steht auch in Urkunden der Jahre 912 und 920. Im 12. Jahrhundert missbrauchte man aber diese alten Dokumente und füllte die Formel mit den Namen der Länder und Inseln auf, um die ehrgeizige Hamburger Metropoliten ihren Legaturbezirk gerne erweitert gesehen hätten. Darum tragen sie heute in den Drucken das Fälscherkreuz3.

Die Peene-Eider-Linie dürfte Rom nicht ohne Grund definiert haben. Sie schied den Hamburg unterstellten Missionsbezirk Oldenburg4 von einer anderen, nicht genannten Instanz. Der Lage nach kann damit nur Mainz gemeint sein, dessen Suffragane Verden, Paderborn, Hildesheim und Halberstadt den Raum zwischen Weser und Elbe füllten. Darum sind alle Landstriche zwischen Elde, Peene und Ostsee im Norden und dem Erzgebirge im Süden, zwischen der Oder im Osten und der Elbe im Westen als dem Erzstuhle Mainz unterstelltes Missionsvorfeld anzusehen. Dass hier schon lange gearbeitet worden sein muss, ergibt sich aus den Errichtungsjahren der Bistümer Havelberg und Brandenburg: 946 und 948. Die Stiftungsurkunden5 beschreiben auch den Umfang der zu Diözesen erhobenen vormaligen Missionsbereiche, und das gleich in doppelter Weise. Als naturgegebene Grenzen Havelbergs werden Stremme, Elbe, Elde, Peene und Ostsee, für Brandenburg Elbe und Oder genannt. In einem zweiten Arbeitsgang zählen die Dekrete dann die durch die Bischöfe zu betreuenden Landschaften auf. Zu Havelberg gehörten Zemzici, Liezizi, Nielitizi, Desseri, Linagga, Murizzi, Tholenz, Ploth, Mizerez, Brotwin, Wanzlo und Wostze, zu Brandenburg die Provinzen Moraciani, Ciervisti, Ploni, Zpriazuani, Heveldun, Uucri, Zamzizi, Dassia et Lusici. Wenige Jahre nach 946 und 948 ist von einem dritten Missionsfeld die Rede. Chroniken berichten zu 955, König Otto I. habe vor der Schlacht auf dem Lechfelde im Falle seines Sieges gelobt, in der Civitas Merseburg zu Ehren des Tagesheiligen ein Bistum zu errichten6. Zwar nicht expressis verbis heißt das, Merseburg sei schon seit längerem Missionszentrale gewesen und die Christianisierung seines Arbeitsfeldes schon so weit fortgeschritten, dass es zur Diözese hätte erhoben werden können. Fügt man den beiden schmalen, aber langen Streifen der Bistümer Havelberg und Brandenburg im Süden einen ähnlichen mit dem Orte Merseburg an, so könnten in diesem die Provinzen Nizizi (um Torgau), altera Luzice (Niederlausitz), Selpoli (um Beeskow/Storkow) und die Civitas Sulpice (Raum Lebus) gelegen haben. In einem vierten Streifen zwischen Mulde und Oder könnten die Landschaften Daleminze, Nisan, Milska und Diedesa gelegen und ihr Zentrum in Meißen gehabt haben. Der gleiche Stil und der gleiche Aufbau der erwähnten Circumscriptionen lässt dabei an einen schon Jahre zurückliegenden Akt denken, durch den das Ganze der transelbischen Slawenmission geregelt worden sein könnte. Aus dieser Annahme erklärt sich am ehesten, dass man bei der Aufzählung der zu betreuenden Landschaften zwischen den Lusici Brandenburgs und denen im Spreewald klar geschieden hatte. Die einen dürften im Rhinluch zu lokalisieren sein. Sie stehen am Ende der Liste: Lusici. Die an der Spree aber sind die altera (!) Luzice. Auf diesen feinen Unterschied ist bisher nicht geachtet worden. In diesen eben beschriebenen Bereichen entstanden dann im Laufe des 10. Jahrhunderts die Bistümer Magdeburg, Merseburg und Meißen.

Magdeburgs Anfänge reichen weit in die Geschichte zurück. Es dürfte seit alters wegen des Elbübergangs auch als Markt von Bedeutung gewesen sein. Eine Chronik erwähnt den Ort zum Jahre 806. Auf einer Heerfahrt habe Karl der Große in aquilone parte Albiae contra Magadaburg auf rechtselbischer Seite Magdeburg gegenüber eine Civitas/eine Burg errichten lassen7. Als die Liudolfinger zu Macht und Ansehen kamen und Otto I. die englische Königstochter Edgit heiratete, schenkte er seiner Braut Magdeburg als Morgengabe und wohnte mit ihr seit 929 dort. Die besondere Geschichte für den Platz begann, als Otto der Große am 21. September 937 dem Heiligen Mauritius ein Kloster stiftete und mit Mönchen der Gorzer Reform besetzte. Die Stiftungsurkunde nennt als Zeugen des feierlichen Aktes die Erzbischöfe von Mainz und Hamburg, aus dem Süden die Bischöfe von Augsburg, Speyer und Würzburg, aus dem Norden den von Utrecht und aus Sachsen die von Minden, Verden, Hildesheim und Halberstadt8.

Seine Stiftung bewidmete der junge König reichlich mit Besitz und Rechten um und in der Stadt Magdeburg9, begabte sie mit Üplingen, Rohrsheim und Nettorf im Halberstädtischen10, und rechts der Elbe mit den Civitates Schartau, Grabow und Buckau, denen bald noch Biederitz, Gommern, Pechau, Möckern und Burg folgen sollten11. Durch Tausch mit dem Bischof von Halberstadt rundete er den Besitz des Klosters noch ab12. Ein weiterer Tauschpartner war das Kloster Hersfeld, das Rechte im Hosgau zwischen Saale, Böser Sieben und Wipper besaß. Er entschädigte es mit Liegenschaften in Franken und Hessen13. Von allem Anfang an war das Moritzstift als Ottos Grablege gedacht. Hier musste er 946 seine erste Frau, die Engländerin Edgit begraben. Hier fand er auch selbst 973 seine letzte Ruhestätte. So wundert auch nicht, wenn die Urkunden das Leben der Mönche des Heiligen Mauritius diesem Anliegen geweiht sehen, etwa: qualiter nos amorem dei omniumque sanctorum et ob remedium animae nostrae patrisque nostri nec non coniugis nostrae prolisque nostrae omniumque antecessorum successorumque nostrorum erfolgten die Stiftungen14. Sie lebten in Immunität und unter Königsschutz15, hatten freie Abt- und Vogtwahl16 und genossen Zehnt- und Zollerträgnisse17. Das band die Mönche sowohl an die Stadt Magdeburg als auch an den König, der sich aus ihren Reihen seine Schreiber und Notare18 und Bischöfe19 holte.

Wichtig für diese Zeit ist, dass Otto I. seine Stiftung nicht nur mit „irdischen“, sondern auch mit „himmlischen“ Gütern versorgte. Er unterstellte die Mönche des Heiligen Mauritius nicht nur dem Schutze des Reiches (mundiburdium regis), sondern sicherte ihnen auch den Schutz Roms. Erstmals in einem Diplome vom 23. April 941 mussten Mauritius und seine Genossen dem Heiligen Petrus als Patron des Magdeburger Stifts den Vortritt lassen. In ihm wird von einem Tausch zwischen dem König und Bischof Bernhard von Halberstadt berichtet. Das Ertauschte widmete Otto dann ad sanctum Petrum apostolorum principem et (!) ad sanctum Mauritium atque sanctum Innocentium. Das Diplom liefert auch die Begründung für den Wechsel im Patronat. Der König habe sein Kloster der Rechtshoheit Roms unterstellt: ipsum locum Romano subiecimus mundiburdio20. Darum nennen in den Jahren zwischen 941 und 961 von 22 Urkunden 12 den Apostelfürsten als Erstpatron des Magdeburger Klosters21. Über Zeit und Umstände dieses Rechtsaktes ist zwar nichts bekannt, beides lässt sich jedoch erschließen.

Zu den Klöstern Deutschlands, die sich am frühesten dem Schutze Roms unterstellten, gehörte Fulda. Seit den Tagen Papst Marinus I. (882 - 884) haben seine Äbte beim Stuhle Petri immer wieder um die Bestätigung dieser Sonderstellung nachgesucht. So 901 Abt Huoggi bei Benedict IV., so 917 Abt Haicho unter Johannes X., so 937 Abt Hadamar bei Leo VII.22. Alle diese Bestätigungen übernahmen, leicht aktualisiert, den Wortlaut der Ersturkunde, der Bulle Summam gerentes sollicitudinis. Sie beschreibt den Rechtszustand des Bonifatiusklosters Fulda, ut sub iurisdictione sancta nostre, cui Deo auctore deservimus, ecclesie constitutum nullius alterius ecclesie iurisdictionibus submittatur. Abt Hadamar ist nicht nur 937 im Süden gewesen. Er nutzte jeden der häufigen Wechsel auf dem Stuhle Petri, für sein Fulda eine Bestätigung zu erwirken. So erneuerte ihm 943 die dicio Romana Papst Marinus II. durch die Bulle Quoniam semper sunt concedenda, so 948 Papst Agapit II. den gleichen Inhalt mit der gleichen Formel23. Bedeutsam ist Hadamars Romaufenthalt von 948, weil er ihn nicht nur für sein Fulda tätig zeigte. Im Auftrage der Äbtissin Windilgard (933 - 949) intervenierte er beim Heiligen Stuhl, die Nonnen zu Gandersheim in den römischen Schutz zu nehmen. Das dürfte kaum ohne Wissen Ottos I. geschehen sein, war doch das Stift Gandersheim eine alte liudolfingische Stiftung. Rom benutzte auch für Gandersheim die neue Bullenformel Quoniam semper sunt concedenda24. Somit wäre an einen Mann wie Abt Hadamar zu denken, der für König Otto I. in Rom die dicio Romana auch für das Mauritiusstift in Magdeburg aushandelte. Im Blick auf den Formelwechsel in der römischen Kanzlei ist für das Magdeburger Deperditum sowohl an die ältere, für Fulda belegbare Fassung Summam gerentes sollicitudinis zu denken wie auch an die jüngere Formel Quoniam semper sunt concedenda. Die ältere gilt als Formel 97, die jüngere als Formel 32 des Liber diurnus, des Formelbuches der römischen Kanzlei. Im heutigen Bestande der Papsturkunden ist die ältere letztmals zu 937, die jüngere erstmals zu 943 zu belegen25. Nach Summam gerentes darf ein fremder Priester im Klosterbereich nur wirken, wenn er dazu die Ermächtigung des Heiligen Stuhles und/oder des Bischofs (!) hat, in cuius diocesi idem venerabile monasterium constructum esse dinoscitur. Dagegen lässt Quoniam semper sunt nur (!) die Ausnahmebewilligung Roms gelten. Die älteste Abschrift der Fuldaer Bulle von 943 verbietet sogar ein Wirken cuiuslibet ecclesie sacerdotem vel episcopus (!) ohne Billigung Roms. Möglicherweise ließ Papst Stephanus IX. (Juli 939 - Oktober 942) die Formel für die dicio Romana wechseln.

Fuldas Mönche waren im Laufe des 8. und 9. Jahrhunderts rund um den Harz zu Besitz gekommen. An seiner Nordseite hatte das Kloster Rechte etwa in Sudburg, Darlingerode, Langeln, Romersleben, Orden, Ballersleben, Dietfurt, Harsleben, Osterwieck und auch in der Bischofstadt Halberstadt26. Für Bischof Bernhard (924 ‑ 968) traten nun zu den Querelen durch Fuldas Sonderstatus die mit dem Mauritiuskloster in Magdeburg hinzu. Nicht in den vielen, wohl aber in den beiden ihn betreffenden Urkunden wird Magdeburg als Ort vorgestellt, Romano subiecimus mundi­burdio27. Über die Kirchen und Kapellen des Klosters hatte er keine Befugnisse. Hatte er vor 948 die Hersfelder Liegenschaften im Hosgau geistlich zu betreuen, so verlor er sie, als Hersfeld diese mit Otto I. tauschte und an den Heiligen Mauritius gab28. Das Kloster an der Elbe wirkte bei Bernhard wie ein „Pfahl im Fleische“.

Außer auf der linkselbischen Seite hatte das Moritzkloster auch Rechte östlich des Stromes. Auf Bitten seines Markgrafen Gero bestimmte Otto I. noch unter dem Eindrucke des Todes seiner Frau Edgit den Zehnten der Bezirke Schartau, Grabow und Buckau zum Seelgerät für sie und überwies die Abgaben dem Heiligen Mauritius29. Ihm stand auch der Nutzen der Landschaften um Biederitz, Gommern, Pechau, Möckern und Burg zu, ohne dass eine Urkunde diese Übereignung uns heute noch belegen könnte. Gestützt auf die dicio Romana scheint das Kloster hier versucht zu haben, noch vor Errichten eines Bistums in Brandenburg sich einen eigenen geistlichen Bereich zu schaffen. Aber Rom selbst, vor Ort vertreten durch den Bischof Marinus von Bomarzo, schob hier einen Riegel vor. Der Legat ließ in der Brandenburger Stiftungsurkunde klarstellen, die Zehnten genannter Bereiche stünden zwar dem Kloster in Magdeburg zu, die Civitates und ihre Menschen aber hätten in der Obhut des Ortsbischofs zu verbleiben. Zum äußeren Zeichen dieser Regelung habe der Abt des Magdeburger Klosters zweimal im Jahre an den Zentren Biederitz, Burg und Möckern für den Bischof von Brandenburg genau definierte Abgaben bereitzustellen30. So bremste Rom Rom !

Mit dem Tode der Edgit versiegte für eine Reihe von Jahren der reiche Zufluss an Dotationen für den Heiligen Mauritius. Darüber hinaus aber dürfte der Dämpfer aus Rom die Gedanken des Königs dahin gelenkt haben, seiner Stiftung anderswo Rechte und Liegenschaften zu erwerben. Nach den Urkunden fand er diese in den Niederlanden und im Hannoverschen31.

Einige meinten, Otto I. habe 937 das Mauritiuskloster schon im Blick auf ein in Magdeburg zu errichtendes Erzbistum gestiftet. Im Gefolge von Dümmler, Lamprecht und Uhlirz schrieb etwa Schlesinger: „Schon die glanzvolle Versammlung (anlässlich der Gründung des Klosters) lässt erkennen, dass hier mehr beabsichtigt war als ein bloßes Werk frommer Devotion“32. Andere suchten nach einem Zeitpunkt zwischen 937 und 961. So urteilte etwa Hauck: „Wir wissen nicht, wann (der Gedanke an ein Erzbistum in Magdeburg) zuerst aufgetaucht ist, … Sicher ist nur, dass im Jahre 955 der Plan völlig gereift war“33. Er lässt sich einem Protestschreiben Erzbischof Wilhelms von Mainz an Papst Agapit II. entnehmen. Man habe ihn zwar als apostolischen Vikar und Missus in Gallien und Germanien bestätigt, in Welt und Kirche aber sähe er sich einem Chaos gegenüber, das er durch eine Synode gesteuert sehen möchte. Was seinen Metro­politan­bereich anlange, so seien die Mönche des Magdeburger Klosters zwar durch römische Privilegien geschützt, aber der Minderung der Rechte seines Erzstuhles werde er sich ebenso widersetzen wie der Translation des Halberstädter Bistums nach Magdeburg, um es dann zum Erzbistum zu erheben. Die Verwahrungen Wilhelms zeigen, dass man in Rom um solche Pläne wusste. Seine Spitzen gegen Abt Hadamar von Fulda kennzeichnen diesen als Verhandlungsführer deutscher Angelegenheiten in Rom34. Wilhelms Protest hatte Erfolg. Keller formuliert, es sei der Erfolg des Prinzips gewesen. „Wilhelms Haltung hat es dem Papst ermöglicht, mit dem ganzen Gewicht apostolischer Autorität in der Magdeburger Frage mitzuentscheiden, Rechte der Kirche zu wahren, die der Herrscher sich zu vindizieren im Begriffe stand35. Ein anderer, und dann auch verwirklichter Plan lässt sich 961 fassen.

Im Jahre 960 vermochte Otto seiner Stiftung nur geringen Streubesitz zuzuweisen, der in ihrer Nähe lag. Er hatte ihn durch Tausch erworben und lag unweit des Harzes36. Gleich nach dem 21. August verbriefte er am 28. August noch einen beachtlichen Zuwachs. Er war ihm von seiner Tante Uota zugefallen, lag aber weitab zwischen Deventer und Zwolle in den Niederlanden37. Das änderte sich 961 schlagartig. Bei seinem Aufenthalt in Wallhausen vollzog er gleich zwei Urkunden und überwies am 23. April alle Zehnten und Manzipien, gleich ob slawisch oder deutsch, links der Elbe in allen Civitates zwischen Saalemündung und Ohreeinfall dem Heiligen Mauritius: Magdeburg, Frohse, Barby und Calbe. Ausgenommen war lediglich das dem Bischof von Halberstadt zustehende Zehntzehntel, was nicht vergessen lassen darf, dass mit Übergabe der vier Burgwarde an Mauritius sie „römisch“ wurden und zur weiteren Aushöhlung des Bistums Halberstadt beitrugen, „Staat im Staate“ waren38. Noch auffälliger aber als die Wallhausener Verfügungen über ein geschlossenes Burgward­system entlang des linken Elbufers ist das Ohrdrufer Urkundenpaket. Unterm 25. und 29. Juli 961 schlug Otto ein noch größeres und wiederum geschlossenes Gebiet östlich der Saale seiner Stiftung zu. Es sind die Kleingaue Neletici (I) um Giebichenstein/Halle, altera Neletici (II) um Wurzen, Quesizi um Eilenburg, Siusli um Gollma/Landsberg, Zitici um Zörbig und der große Bereich Nudici mit den Vororten Wettin, Löbejün, Rothenburg, Löbnitz an der Linde, Trebnitz und Beesenlaubing. Im Westen von der Saale, im Norden von der Fuhne begrenzt, reichte es mit Wurzen und Eilenburg bis zur Wasserscheide zwischen Mulde und Elbe. Dass hier schon eine große Schar von Christen wohnte, sagen die Worte: Otto übergebe allen Zehnt in den vorgenannten Regionen und Urbes von allen Früchten und Nutzungen, von denen Christen Zehnt zu geben gehalten seien und schuldig werden zu geben, sobald sie durch Gottes Gnade zu Christen geworden sind39. Als weiteren geschlossenen Bereich fügte der König noch die Länder Lusici/Nieder­lausitz, Selpoli/Gegend um Beeskow und Storkow und Chozimi/Zossen hinzu. Dort durfte dann das Magdeburger Kloster den Zehnt (decem) von allem Zins (census) und Erwerb erheben, gleich ob es sich dabei um die landschaftsgebundene anteilige Kirchensteuer des Königs, seiner Grafen oder sonstwem handelte40. Den Ernst seines Handelns unterstrich Otto durch sein absque ullius retractione permaneat.

Von Ohrdruf wandte sich Otto nach Augsburg, wo sich sein Heer versammelt hatte, und zog im August 961 mit ihm nach Italien, wo ihn Papst Johannes XII. am Tage Purificationis Mariae 962 zum Kaiser krönte. Zehn Tage später, am 12. Februar 962, empfing der Kaiser aus den Händen des Papstes die Bulle Quociens ad provectum, durch die das Kloster in Magdeburg zum Sitze eines Erzbischofs und Merseburgense monasterium zum Bistum erhoben und Magdeburg unterstellt wurde41. Von diesem Akte her erklären sich die oben beschriebenen großen Zuweisungen an seine Lieblings­stiftung im Jahre zuvor. Mit den Zuwendungen hatte Otto den Grund für ein Magdeburger Bistumsterritorium gelegt. Dabei nennen die Ohrdrufer Urkunden seinen natürlichen Sohn Wilhelm, den Erzbischof von Mainz, ausdrücklich als Anreger und Helfer42.

So viel an Nachrichten die Ohrdrufer Urkunden vom Juli 961 auch liefern, so beantworten sie dennoch nicht alle Fragen. Weder ist zu erfahren, was es dem König ermöglichte, den Heiligen Mauritius östlich der Saale plötzlich so reich zu bedenken, noch wer die Christen dieser Kleingaue vor der Übereignung an Magdeburg betreute. An Halberstadt ist kaum zu denken. Es hatte wie alle Ortsbistümer seit seiner Erhebung definierte Grenzen - und in Bischof Bernhard einen guten Wahrer seiner Rechte. Anders scheint es um Missionsbezirke bestellt gewesen zu sein. Dann müsste Otto - unter Anraten und mit Hilfe Erzbischof Wilhelms von Mainz (!) - ein Stück aus einem solchen, noch unfesten Bereiche herausgerissen haben, um seine Erzbistumspläne voranzutreiben. Schließlich ist ein Erzbistum keine fiktive Größe, sondern bedarf eines Territoriums. Das schuf Otto mit Hilfe der römischen Jurisdiktion des Magdeburger Klosters auf Kosten des Bistums Halberstadt und des Merseburger Missionssprengels, von dem schon eingangs die Rede war. Indem er diesem Bereiche etwa die ostsaalischen Kleinlandschaften entzog, zerschlug er ein geschlossenes Gebilde, was durch die Bulle Quociens ad provectum zwar zum Ortsbistum erhoben wurde, was aber als Krüppel in die Geschichte eintreten musste. Mit Havelberg, Brandenburg, Zeitz und Meißen wurde dieses Restgebilde 968 dem Erzstift Magdeburg als Suffragan zugeordnet, 981 aufgelöst, um 1004 erneut errichtet zu werden. Nach Thietmars glaubwürdigem Bericht43 wurde 981 der Merseburger Bereich zwischen Saale, Weißer Elster und Mulde dem Nachbarn im Süden, dem Bistum Zeitz zugeschlagen. In diesen Grenzen lag der Kern des Gaues Chutizi mit Leipzig im Norden, Zwenkau im Süden, Schkölen im Westen und Nerchau im Osten. Der östlichste Zipfel des Gaues reichte aber noch bis über die Zwickauer Mulde und wurde daher Meißen zugewiesen. Der schmale Streifen nördlich der Weißen Elster mit Schkeuditz und Taucha samt allen Kleinlandschaften an der unteren Mulde mit Wurzen, Püchau, Eilenburg, (dem nicht erwähnten Hohenprießnitz), Düben, Löbnitz, Pouch und Altjeßnitz fielen an Magdeburg44. Damit beschrieb Thietmar per 981 den Rest der alten Merseburger Missionsherrlichkeit. Wegen der Seelsorge dürften sich ‑ nunmehr Nachbarn ‑ Meißen und Magdeburg an die kaiserlichen Regelungen von 968 gehalten haben45.

Im Blick auf die Errichtung eines Bistums in Merseburg befand sich Otto I. in einem Zwiespalt. Einerseits dürften weltliche wie auch kirchliche Gründe ihn bewogen haben, den (prätendierten) Missionssprengel Merseburg zu deformieren. Andererseits aber wusste er sich an sein Gelübde von 955 gebunden, im Falle des Sieges über die Ungarn das Monasterium Merseburg zu einem Ortsbistum zu erheben. Diesen Entschluss hatte er sogar in der Bulle Quociens ad provectum durch Papst Johannes XII. 962 fest­schreiben lassen46. 968 wurde das Gelübde eingelöst, wobei das Restgebilde geschönt in Erscheinung trat. Dem vorwiegend slawisch besiedelten Bereiche östlich der Saale hatte man einen weitgehend schon eingedeutschten Bezirk westlich des Flusses hinzugeschlagen. Thietmar begrenzt ihn durch Unstrut, Helme, Sachsgraben, Wildergraben, Salzigen See (Salza) und Saale47. Er liefert dazu auch eine Story. Nach dem Tode seines Widersachers, Bischof Bernhards von Halberstadt, habe Otto I. den Nachfolger zu einem Gespräch nach Ravenna bestellt und ihm vorgestellt, er wolle zwei Gelübde einlösen: in Magdeburg ein Erzbistum zu errichten und das Monasterium in Merseburg zum Ortsbistum erheben. Der Kaiser habe Hildeward erklärt, ihm alles zu gewähren, wenn er ihm helfe, sein Gelübde zu erfüllen. Dem habe Hildeward auch entsprochen - hic autem, ut erat sapiens, piae connivebat peticioni.

Nach den wenigen erhaltenen Urkunden stellt sich alles anders dar. Von Anfang an widersprach Bischof Bernhard von Halberstadt den Plänen Ottos I., auf Kosten Halberstadts in Magdeburg ein Bistum zu errichten. Jedoch beschenkte Otto das Kloster des Heiligen Mauritius systematisch mit Titeln in Magdeburgaro marco, zu der damals zwanzig Ortschaften gehörten und die ecclesia plebeia. Halberstadts Ansprüche wurden mit der Mark Wendhausen im Harz und Langenweddingen abgegolten48. Der dicio Romana unterstellt, hatte Bernhard in der Stadt nichts mehr zu sagen. Daher sind die Aussagen in Bernhards Urkunde vom 2. Februar 96649 erneut zu überdenken. Danach entsprach Kaiser Otto I. der Bitte des Bischofs und räumte ihm im Hofe des verstorbenen Markgrafen Gero Wohnrecht auf Lebzeiten ein gegen den Nutzen aus den halberstädtischen Dörfern Olvenstedt, Ebendorf und Groß-Ammensleben und ihren Marken. Zwei Metropoliten und vier Bischöfe waren Zeugen dieser Tauschabsprache. Aber die Formel ad tempus vite mee genügte Bernhard nicht. Er verlangte Rücktausch nach seinem Tode (post obitum meum nullum patiatur damnum), damit sein Bistum keinen materiellen Schaden erleide, gleich ob wegen der drei Dörfer oder anderer Liegenschaften (sed in his ut in aliis villis). Für seinen Nachfolger verlangte er Vollmacht (potestas), über die in Rede stehenden Zehnten wieder frei verfügen zu können (disponere velit). Angesichts der Zeugen besiegelt er das von ihm geschriebene Exemplar und deponierte es auf dem Mauritiusaltar. Eine merkwürdige Urkunde, denn seit spätestens 946 hatte Bernhard als Bischof in der Stadt Magdeburg nichts mehr zu sagen. Ab 966 aber darf er in der Stadt sogar wieder wohnen. Sollte wirklich humilitatis precibus des einen die largitatis gratia des anderen bewirkt haben ?

Thietmar50 berichtet, alt geworden habe Markgraf Gero in Rom seine Waffen auf dem Altare des Apostelfürsten Petrus niedergelegt, in der Heimat das Kloster Gernrode errichtet und seines Sohnes Witwe Hathui als Äbtissin eingesetzt, a Bernhardo consecratam episcopo ‑ Bischof Bernhard weihte sie. Dass der Markgraf sich mit seinem Erbgut bei Gott geborgen habe ist belegbar. Dem Bistum Meißen hatte er seinen Zehntanteil in fünf der ihm unterstellt gewesenen Provinzen geschenkt51. Sollte er da nicht auch „seinen“ Bischof mit einem Legat bedacht haben ? Etwa mit der Nutzung seines Hofes in Magdeburg auf Lebenszeiten ? Um sein Gesicht zu wahren, musste Kaiser Otto I. Geros Verfügung von Todes wegen erfüllen, wusste sie jedoch auch mit seinen Magdeburgplänen zu verbinden ‑ versteckt unter der largitatis gratia der Urkunde.

Der Kaiser weilte in Italien, als Bischof Bernhard am 3. Februar 968 starb. Er hatte seit langem einen Probst zum Nachfolger bestimmt. Die Halberstädter wählten Hildeward am 30. März. Er trat in seines Vorgängers Fußstapfen. Um sich in seinem Amte bestätigen zu lassen, zog er über die Alpen zum Kaiser. Dort vertrat er die Interessen Halberstadts gegenüber Magdeburg und Merseburg. Aus dem Datum seiner Weihe, dem 21. Dezember 968, darf man getrost folgern, er habe schwierige Verhandlungen durchstehen müssen. Gegen Magdeburg verfocht Hildeward den kirchenrechtlichen Satz commutationem parrochiae fieri non posse, die Veränderung eines definierten Sprengels ist unzulässig. Im Oktober 968 wurde der Streit auf einer Synode in der Severikirche im Suburbium zu Ravenna ausgetragen und endete mit der Vergleichs­formel commutatio sub exterminatione. Danach verzichtete Hildeward auf den Besitz des Heiligen Mauritius zwischen Elbe, Ohre und Bode mit den Vororten Unseburg, Wanzleben und Althaldensleben, das dem Bistum im Laufe der Jahrzehnte durch die dicio Romana entfremdet worden war, und erhielt dafür die Diözesanhoheit samt den Zehnten im Hosgau zurück, den Otto I. 948 durch legalen Tausch vom Kloster Hersfeld erworben, der Magdeburger Kirche übereignet und durch die dicio Romana geschützt hatte. Dort lagen die Kirchen von Wormsleben und Oberwiederstedt, deren Parochien durch Saale, Böse Sieben und Wipper begrenzt waren. Et eo modo finita est causa steht in der Narratio erectionis ecclesie Magdeburgensis zu lesen52.

Zum Halberstadt-Merseburger Querstand erfahren wir Näheres erst aus späteren Urkunden. Papst Benedikt VII. verkündete am 11. September 981 den Beschluss der Lateransynode. Das Bistum Merseburg sei wieder aufzulösen, da die Stadt Merseburg innerhalb der Diözese Halberstadt liege, in einem Bistum aber keine zwei Sitze möglich seien. Auch sei der dort errichtete Sitz ohne Zustimmung und ohne schriftlichen Vertrag mit dem Diözesan von Halberstadt eingerichtet worden. Zudem sei dem Harzbistum wider Recht und Brauch ein großer Teil seines Kirchengebietes entrissen worden53. Bei diesem Spruch blieb es, als man 1004 das Bistum Merseburg wieder­errichtete. Die Bereiche der späteren Erzstühle Eisleben, Kaltenborn und Osterbann blieben bei Halberstadt. Merseburg musste sich 1004 mit einer Art Brückenkopf links der Saale zufrieden geben54.

Mit dem Widerspruche zwischen dem Bericht Thietmars, der Halberstädter Elekt habe der Erhebung Merseburgs 968 zugestimmt, und der römischen Bulle von 981 haben sich die Historiker immer wieder befasst55. Hat Thietmar recht, so wäre Papst Benedikt VII. mit seinen Synodalen der Lüge Hildewards und den Intrigen des kleinen Bischofs von Merseburg, Giseler, aufgesessen, der nach dem Tode Adalberts (†981) gerne Erzbischof von Magdeburg werden wollte. Stimmt aber der Satz der Bulle Quia nostri ministerii iugis (Z 269)56, Merseburg sei sine consensu atque conscriptione canonice fratris et coepiscopis nostri Hildewardi erfolgt, dann liest sich auch der Verzicht Hattos von Mainz anders57. Im Beisein der Bischöfe Everaclus von Lüttich, Reginoldus von Eichstädt, Ulrichs von Bergamo, Ermenalds von Reggio, Huberts von Parma und Milos von Verona schrieb Hatto im Oktober 968 in Ravenna, er stimme der Errichtung eines Erzstuhls in Magdeburg zu, dem Brandenburg und Havelberg als Suffragane zugeordnet seien ‑ permittimus et consentimus. Vielleicht wollte er mit anderen Worten das gleiche sagen, Merseburg sei Magdeburg zu unterstellen, als er formulierte censimus et instituimus. Man kann aber auch in diesen Worten einen Vorbehalt des Mainzer Erzbischofs sehen, als sei eine solche Regelung lediglich denkbar, wenn auch machbar58. Jedenfalls bewirkte diese Halbheit seines Metropoliten bei Hildeward gar nichts. Er half dem Kaiser weder mündlich noch gar schriftlich zur Schönung Merseburgs auf Kosten Halberstadts. Nach außen erreichte Otto sein Ziel Kraft der am 2. Januar 968 für das Kloster Hersfeld ausgesprochenen dicio Romana59. Er schlug dessen Zehntbezirk zwischen Saale, Unstrut, Helme, Wilderbach und Salza aus eigener Machtvoll­kommenheit Merseburg zu. Otto I. starb 973, gerade eben erst nach Jahren aus Italien nach Sachsen zurückgekehrt. Bischof Hildeward gab nicht auf, wandte sich an den Heiligen Stuhl, der 981 die Aufhebung Merseburgs befahl. Woher nahm Hildeward die Kraft zu solchem Widerstand ?

Thietmar60 berichtet nicht nur, Hildeward habe dem doppelten Wunsche entsprochen, Otto zu helfen, in Magdeburg und Merseburg Bistümer zu errichten, sondern auch vom Dank des Kaisers. Der habe Hildeward den Baculus überreicht mit den Worten accipe precum patris tui - empfange das Wehrgeld für deinen Vater. In seinen Anfangsjahren tat sich Otto mit den Sachsen schwer. So ließ er mit anderen Aufrührern 941 auch Hildewards Vater enthaupten. Als Jahrzehnte später das sächsische Halberstadt ihm Hildeward als erwählten Bischof präsentierte, suchte der Kaiser den immer noch schwelenden Groll des sächsischen Adels zu dämpfen und zugleich die Bestätigung der Halberstädter Wahl mit seinen Plänen für Magdeburg und Merseburg zu verkoppeln ‑ ein Spiel, das für Otto mit einem Patt endete.

Im Zusammenhang mit der Errichtung der Bistümer Magdeburg und Merseburg stellte Beumann61 die Frage nach der Entschädigung für Halberstadt und das Erzbistum Mainz. Für Halberstadt erörtert er einen Ausgleich durch Liegenschaften im Harz. Für den Verlust der Diözesen Brandenburg und Havelberg sieht er einen solchen durch die Zuweisung des 973/976 errichteten Bistums Prag an Mainz. Er geht dabei von dem Allgemeinplatz aus, die beiden Havelbistumer seien seit ihrem Bestehen Mainzer Suffragane gewesen. Die Stiftungsurkunden berühren diesen Punkt nicht. Textstellen in ihnen könnten aber dahin verstanden werden, als stünden sie unter römischem Schutz62. Über den aber dürfte der Erzbischof von Mainz in seiner Eigenschaft als Vicarius Germaniae zu wachen gehabt haben. Jedenfalls ist in der Bulle von 96263 wohl von Merseburg als möglichem Suffragan eines zu gründenden Erzbistums Magdeburg die Rede, nicht aber von den Haveldiözesen. Versteht man daher Hattos „Verzicht“ als das Ende eines Provisoriums, so dürfte sich auch die Frage nach einer Entschädigung für einen „Verlust“ erübrigen.

Thietmar ist ein guter Stilist. Das belegt sein Bericht über die Feierlichkeiten aus Anlass der Erhebung Magdeburgs zum Erzbistum64. Erzbischof geworden, weihte (consecuavit) Adalbert dabei Boso zum ersten Hirten (pastor) der Merseburger Kirche, Burkhard zum ersten Vorsteher (provisor) der Meißner Kirche, Hugo zum ersten Bischof (episcopus) der Zeitzer Kirche. Neben sie trat noch Dudo, der schon früher geweihte (consecratus) erste Hüter (custos) der Havelberger Kirche. Als weitere Amtsbrüder kamen hinzu der von ihnen gesalbte (unctus) erste Hirte (pastor) der Brandenburger Kirche und Jordan, der erste Bischof (episcopus) von Posen.

Die Editoren der Chronik haben Thietmars Verbesserungen im Druck hervorgehoben. Danach war Dudo prius consecratum und Thietmar von Brandenburg ante hos unctus. Adalbert hat daher nur Boso, Burkhard und Hugo consecravit. Was aber heißt dann consecravit in Magdeburg, wenn Burkhard schon 360 Tage zuvor in einer Bulle venerabilis episcopus genannt wurde65 ? Handelte es sich zu Weihnachten nur um die Einsegnung als Diözesan ? Fragwürdig ist auch, wenn der Chronist nur von Boso, Burkhard, Hugo und Dudo berichtet, omnes hos subieccionem sibi promittendes, schließlich ist auch Thietmar von Brandenburg Magdeburger Suffragan. Von dem ist erst im letzten Satz die Rede. Additus est his confratribus Brandeburgiensis aecclesiae I. pastor Thietmarus … et Iordan episcopus Posnaniensis I.. Hat etwa Thietmar bei den Vorarbeiten zur Errichtung des Erzbistums mitgewirkt und sich zuvor schon in Rom oder Ravenna dem neugeweihten Adalbert als Suffragan angelobt ? Der Missionsbischof Jordan von Posen scheint nur als Gast in Magdeburg geweilt zu haben. Aus dem additus dürfte sich wohl kaum ein Verhältnis zum neuen Erzbistum ableiten lassen66.

Bleibt noch ein Wort zum Datum der Konsekration. Gemeinhin sieht man es im 25. Dezember 968. Es lässt sich genauer bestimmen. Als Todestag des ersten Bischofs von Merseburg gibt Thietmar den 1. November 970 an. Boso habe das ihm anvertraute Amt 1 Jahr, 10 Monate und 3 Tage verwaltet67. Berücksichtigt man die Varianten bei der Zählweise, so kommt man beim Rückrechnen auf den 28. und 29. Dezember 968 als den Tag der Einsetzung des Ortsbischofs. Dieser Termin hätte dann auch für die anderen zu gelten.

Mit Havelberg, Brandenburg, Merseburg und Meißen wurde der Metropole in Magdeburg auch noch das kleine Bistum Zeitz unterstellt. Ein weiterer politisch bedingter Machtspruch Ottos I. ist auch in dieser Zuweisung zu vermuten. In der Bulle Notum esse volumus vom 20. April 96768 ist davon zum ersten Mal die Rede. Die Vita Bosos aus der Feder Thietmars von Merseburg69 vermag unsere Gedanken über die Anfänge des Christentums um Zeitz in eine bestimmte Bahn zu lenken. Boso war Mönch im Kloster St. Emmeram nahe Regensburg. Von dort ging er als Missionar in den Osten (in oriente) und gewann durch beharrliches Predigen und Taufen ein nicht zu zählendes Volk für Christus (innumeram Christo plebem). Darum holte ihn Otto I. (einige Jahre vor 967) zu sich und übertrug ihm verdienstehalber das Zeitzer Kirchlehn, zu dem die Kirchen in Merseburg und Memleben wie auch Lehngut in Dornburg und Kirchberg gehörten. Als es später (967) um die Errichtung der Suffragansitze der Magdeburger Metropole ging, durfte Boso zwischen Merseburg und Zeitz wählen70 und entschied sich für das Saalebistum eo quod pacifica erat. Nach dieser Vita wären nach den Anfängen des Christusglaubens um Zeitz Erfolge Regensburger Mission zu sehen. Nachdem Missionare schon die Naab hinaufgezogen waren und sich am Fluss- und Wegekreuz um Eger nach Osten gewandt und in den böhmischen Kleinlandschaften um Kaaden und Saaz gepredigt hatten, pilgerten andere nach Norden weiter und erreichten entlang der Weißen Elster schließlich Zeitz und bauten es zu einem Vorposten aus. Regensburgisch geprägt dürfte daher die Zuweisung von Zeitz an Magdeburg ein politisch bedingter Eingriff Otto I. in alte Strukturen sein.

Wie Otto I. in das Gefüge Halberstadts eingriff, um in Magdeburg einen Erzsitz zu errichten, um dieses und anderer Ziele willen das Missionsfeld Merseburg deformierte, das Bistum Zeitz südlichen Einflüssen entzog und in Mitteldeutschland eingliederte, so prägten seine politischen Intentionen auch die zu 968 fassbare Gestalt des Bistums Meißen.

 1 Eduard Quiters „Untersuchungen“ waren als Gabe zur Millenarfeier des Erzbistums Magdeburg (968 - 1968), als „Beitrag zur Geschichte des kirchlichen Verfassungsrechtes im zehnten Jahrhundert“ gedacht. Hier Seite 24.

 2 Zimmermann PU. Die Bullen werden zitiert mit Z, der Nummer in der Edition und dem Jahr - Falls C. Lübke in seinen „Regesten“ Urkunden erwähnt, wird darauf verwiesen mit L und Nummer des Regestes.

 3 Z 33/912, 47/ 920, 301/ 989 - L 249.

 4 Über die Anfänge des Bistums Oldenburg siehe L 153, 154, 169 u.a.. - Hauck (KGD III 1005) eröffnet die Reihe der Bischöfe mit Egward zu 968.

 5 Über die Havelberger Stiftungsurkunde - negativ: W. Schlesinger, Bemerkungen zu der sogenannten Stiftungsurkunde des Bistums Havelberg von 946 Mai 9, erstmals 1956, jetzt in: Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, Göttin­gen 1961 - positiv: J. Huth, Ein Wort zur Echtheit der Stiftungsurkunde für das Bistum Havelberg vom 9. Mai 946, in Herbergen der Christenheit (1985/86); ders., Die Echtheit der Havelberger Stiftungsurkunde vom 9. Mai 946, in Jahrbuch für Berlin-Brandenbur­gische Kirchengeschichte 58 (1991), Berlin - DO I 76/946, DO I 105/948 - L 83, 84.

 6 Thietmar von Merseburg, Chronikon II 10 - L 97.

 7 Chronicon Moissiacense, in MG.SS.II. S. 258 - Zitat nach Quiter, S. 20, Anm. 36.

 8 Alle Magdeburg betreffenden Urkunden werden doppelt zitiert, einmal nach dem Urkundenbuch des Erzstiftes Magdeburg (=UBEM), zum anderen nach der Diplomata­ausgabe der Urkunden der Ottonen wie folgt:
(UBEM) 1/ (DO I resp. II) 14, Regest bei Lübke (L 52), also 1/ 14-937 (L 52).

 9 1/ 14-937 (L 52), 3/ 16-937 (L 54), 4/ 21-939 (L 62), 6/ 38-937 bis 941 (L 60), 12/ 74-946 (L 78).

10 7/ 41-941 (L 71), 8/ 43-941 (L 72), 10/ 63-945 (L -).

11 Ausführlich unten Seite ... unten.

12 13/ 79-946 (L 81).

13 14/ 97-948 (L 82a).

14 4/ 21-939 (L 62, 63).

15 1+ 14 und 2/ 15-937 (L 52 und 53).

16 3/ 16-937 (L 79).

17 2+ 14-937 (L 53), 9/ 46-942 (L 75).

18 Th. von Sickel ordnet eine Reihe von Originalen einer Magdeburger Schreibschule zu, die für ihn mit dem Mauritiuskloster in Verbindung stand. „Magdeburger Diktat“ zu DO I 76-946 (L 84).

19 Etwa Otwin, der von 954 bis 984 Bischof in Hildesheim war, oder Anno, der spätere Bischof von Worms (950 - 978).

20 5/ 37-941 (L 69).

21 5/ 37-941 (L 69), 6/ 38-941 (L 60), 8/ 43-941 (L 72), 10/ 63-945, 12/ 74-946 (L 78), 13/ 79-946 (L 81), 14/ 97-948 (L 82a), 17/ 165-953 (L 89), 21/ 214-960 (L 110), 22/ 216-960 (L -), 25/ 230-961 (L 115), 27b/ 232-961 (L 117).

22 Z 16, 42, 71.

23 Z 99, 113.

24 Z 115.

25 Z 71-937, Z 99-943.

26 Mitteldeutscher Heimatatlas², Blatt 40, II. Wege der Fuldaer Mission im nördlichen Mitteldeutschland.

27 5/ 37-941 (L 69), 13/ 79-946 (L 81).

28 14/ 97-948 (L 82a).

29 UBEM 11. Weder Original noch Abschrift dieses Textes haben sich erhalten. Die Heraus­geber des UBEM haben ihn aus 51/ II 12-967 erschlossen. Otto II. bestätigte 967 nach originaler Vorlage (um 946), Markgraf Gero habe Otto I. gebeten, zum Seelenheil der Edgit Liegenschaften zu stiften. Die genaue Datierung des Aktes ist strittig. Auf Grund der Zweckbestimmung der Stiftung ist ein Termin nach dem 26. Januar 946, dem Todestag der Königin, anzusetzen. Die nach der Bestätigung durch Otto II. im verlorenen Original vorauszusetzende Zweckbestimmung lautete: ob remedium anime dilectissime coniugis nostre Edgide. Die auf den 29. Januar 946, also nach Edgits Tod datierte Urkunde 12/ 74 (L 78) gebraucht die Formel: in elemosina … Heinrici … et nostra nec non pro anima dilectissimae coniugis nostrae Edgidis. Auch Jahre später wird die Entschlafene nicht beatae memoriae genannt. In 16/ 159-952 heißt es wieder nur: pro remedio animae nostrae coniugisque nostrae Edgidae omniumque parentum nostrorum. - Die Liegenschaften könnten zur Morgengabe der Königin gehört haben.

30 15/ 105-948 (L 83).

31 16/ 159-952, 17/ 165-953 (L 89), 18/ 181-956, 19/ 187-956, 20/ 205-959, 22/ 216-960.

32 Schlesinger, KGS I 21, vgl. L 51.

33 Hauck, KGD III 113.

34 Quiter, Untersuchungen, bietet den Text des Briefes des Erzbischofs nach Rom als Anhang III, Seite 188-190.

35 Hagen Keller, Das Kaisertum Ottos d. Gr. im Verständnis seiner Zeit (1964), bequem in Wege der Forschung 350 (1976), S. 370.

36 21/ 214-960 (L 110).

37 22/ 216-960.

38 23/ 222a (L 112) und 24/ 222b-961 (L 113).

39 25/ 230-961 (L 115), 26/ 231-961 (L 116) Dort: … ex quibus christiani decinam dare videntur et ipsi persolvere debent, quandocunque per dei gratiam christiani effecti fuerint.

40 26/ 231-961 (L 116) Dort: … decinam de omni censu et adquisitione nostra vel comitum vel cuiuscumque

41 28 = Z 154 (L 121).

42 24/ 222b (L 113), 25/ 230 (L 115) und 26/ 231-961 (L 116) … instinctu quoque et monitu Wilhelmi

43 Dagegen Schlesinger in KGS I 42 … wenn Thietmars Angabe richtig wäre;
I 44 … wenn wir Thietmar Glauben schenken dürfen.

44 Thietmar, Chronik III 16.

45 DO I 449. Siehe auch die Stelle im Abschnitt Cirkumskription Seite...

46 Z 154 (L 121), volumus … ut Merseburgense monasterium … in episcopalem delegetur sedem.

47 Thietmar, Chronik II 20.

48 5/ 37-941 (L 61).

49 UBEM 45 (966 Februar 2).

50 Thietmar, Chronik II 19.

51 DO I 406 zu 970. Siehe in der Urkundendiskussion Seite...

52 UBEM 61 (968 Ravenna im Oktober) (L-!).

53 UBEM 92 = Z 269 (981 Ravenna September 10) wie auch UBEM 95 = Z 270 (L-!).

54 Die Situation von 1004 blieb hier unverändert bis zur Reformation. Siehe auch Mitteldeutscher Heimatatlas ² Blatt 16: Bistümer und Archidiakonate im 15.Jahrhundert. - Ferner: S.-A. Wolf, Beiträge zur Auswertung des Hersfelder Zehntverzeichnisses, in: Leipziger Studien - Frings zum 70. Geburtstage, Leipzig 1957, Seite 192-235.

55 Beumann, Helmut, Entschädigungen von Halberstadt und Mainz bei Gründung des Erz­bistums Magdeburg, in: Ex ipsis rerum documentis, Beiträge zur Mediävistik - Festschrift für Harald Zimmermann zum 65.Geburtstag- Sigmaringen 1991, dort Seite 383-398.

56 wie Anm. 53.

57 UBEM 59 (968 Oktober Ravenna) = UBHM Nr.3.

58 Georges, Kleines lateinisch-deutsches Handwörterbuch Leipzig 1897. censeo = von begutachten, prüfen bis hin zu meinen, dafürhalten, für billig erachten; instituo = von aufstellen, errichten bis hin zu Anstalten treffen, sich zur Aufgabe machen.

59 Z 186.

60 Thietmar, Chronik II 20.

61 wie Anm. 55.

62 Schon das Initium Quoniam in den Arengen der Stiftungsurkunden beider Bistümer weist auf römische Mitwirkung hin. Der Decernimus-Satz sagt das Nötige in aller Klarheit: Decernimus … ut nullus archiepiscoporum aut episcoporum infra praescriptos terminos aliquod ius sibi usurpare praesuma. Das 946 errichtete Bistum Havelberg stand unter römischen Schutz, war also kein Suffragen von Mainz. - Dazu J. Huth wie in Anm. 5.

63 Z 154.

64 Thietmar, Chronik II 22.

65 Z 187.

66 Über das Verhältnis von Magdeburg zu Posen ist schon viel geschrieben worden. Auf eine Exegese des Berichtes in der Chronik Thietmars ist bisher kaum eingegangen worden. Auf den Gedanken, Posen sei analog etwa zu Havelberg als Missionsbistum der dicio Romana unterstellt gewesen, ist bisher noch niemand verfallen, ergäbe aber eine passable Antwort auf diese offene Frage.

67 Thietmar Chronik II 36.

68 Z 177.

69 wie Anm. 67.

70 Nach Thietmar, Chronik II 36 ließ Otto I. Boso die freie Wahl zwischen den Bistümern Meißen, Merseburg und Zeitz, nach DO I 366 aber nur zwischen Zeitz und Merseburg.